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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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wandte mich zögernd um. Ich wollte es nicht sehen, aber ich war dafür verantwortlich. Ich wusste, wenn ich es nicht tat, würde das nächste Mal, wenn ich in die Tin Whistle blies, keine Musik herauskommen. Das war der Preis, den ich für die Gabe bezahlen musste, die mir zugeteilt worden war. Dies waren der Ort und die Zeit, wo die Zahlung fällig wurde.
    Der vor meinen Füßen zusammengesunkene Körper zuckte wie ein Goldfisch auf dem Badezimmerfußboden. Es war zu dunkel, um abgesehen von dem vagen Eindruck einer Bewegung etwas zu erkennen. Ich packte seine Schultern, wälzte ihn auf den Rücken. Er wehrte sich nicht, und meine Hände fanden seinen Hals.
    Die Lichter flammten langsam auf, während ich zudrückte.
    *
    »Kannst du nicht schlafen?«, fragte Pen. Sie tappte auf nackten Füßen und in einem roten Morgenmantel in die Küche und rieb sich die Augen.
    Ich trank einen Schluck Kaffee. Ich hatte ihn auf dem Herd zubereitet und Pens Mokkatopf aus den 30ern benutzt, und er war dickflüssig, dunkel und bösartig stark. Nicht dazu angetan, chronische Schlaflosigkeit zu kurieren, aber genau richtig, um das Zittern meiner Hände zu unterdrücken.
    »Ist dir je aufgefallen«, fragte ich, »dass Menschen in Kinofilmen sich immer senkrecht im Bett aufsetzen, wenn sie zum furchtbarsten Teil ihres Traums kommen? Es ist, als hätten sie einen seelischen Schleudersitz. Sie kommen zur Klimax des Geschehens, und bong, wachen sie auf.«
    Sie schüttete den Kaffeerest aus dem Topf in eine Tasse. Es waren nur drei Schlucke und ein wenig Kaffeesatz, aber es waren starke Schlucke.
    »Du hast schon wieder von Kate geträumt.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Diesmal war es Rafi«, sagte ich betrübt.
    Sie nahm schweigend mir gegenüber Platz. Ich leerte meine Tasse, und sie bot mir ihre an.
    »Niemand macht dir einen Vorwurf«, sagte sie schließlich. »Niemand glaubt, du hättest Mist gebaut.«
    »Ich habe Mist gebaut.«
    »Du hast versucht, ihm zu helfen. Es ist dir nicht gelungen. Niemand sonst hätte etwas tun können.«
    Ich bedauerte, es erwähnt zu haben. Ehrlichkeit war nicht gerade ein Laster, dem ich frönte, aber bei Pen gewöhnte man es sich an. Sie log niemals – noch nicht einmal, um Gefühle zu schonen oder Peinlichkeiten zu vermeiden. Man neigte dazu, ihr Gleiches mit Gleichem zu vergelten.
    »Wahrscheinlich hätte ich am besten nichts getan«, murmelte ich.
    Exorzismus war sowohl mehr als auch weniger als ein Job. Man praktizierte ihn, weil es etwas war, von dem man wusste, dass man es konnte, und weil, wenn man einmal damit begonnen hatte, etwas daran einen nicht mehr damit aufhören ließ. Aber auf lange Sicht macht es einen fertig. Exorzisten, die lange genug lebten, um sich alt nennen zu können, waren wirklich seltsame Leute – wie der legendäre Peckham Steiner, der die letzten paar Jahre seines Lebens auf einem Hausboot auf der Themse gewohnt hatte und den Fuß niemals aufs Festland hatte setzen wollen, weil er meinte, die Geister seien im Begriff, einen Feldzug gegen die Lebenden zu entfesseln, und er sei ihr erstes Ziel.
    Ich dachte daran, wie Rafi gewesen war, als ich ihm zum ersten Mal begegnete: vornehm, selbstsüchtig und schön, ein Tänzer mit tausend begeisterten Partnerinnen. Dann stellte ich ihn mir glühend in dieser Badewanne voll Eiswasser vor, die Augen im Dunkeln leuchtend, als wollte die Glut, die in ihm tobte, jeden Moment durch seine Haut brechen und nichts als einen Haufen schwarzer Asche übrig lassen.
    Es war nicht so, dass ich mir einredete, ich wüsste genau, was ich tat. Ich tat es nicht. Ich hatte noch nie so etwas gesehen, und es ließ mich im wahrsten Sinne des Wortes in die Hose machen. Aber es war unmöglich, untätig dazusitzen, während Rafi starb. Es schien, als müsste ich etwas tun, und es gab nur eines, von dem ich wusste, wie man es tat. Also holte ich meine Tin Whistle hervor und schloss für einen Moment die Augen, suchte nach einer Ausstrahlung von ihm, einem Einhakpunkt. Es war einfach. Der Ort war damit gesättigt. Also begann ich zu spielen – genau wie in dem Traum.
    Beim ersten Ton zischte und blubberte der Dämon Asmodeus wie ein Wasserkessel ohne Deckel und öffnete Rafis Augen weiter, als sie sich von Natur aus auftun konnten. Geschwächt nach seinem langen Aufstieg aus der Hölle schlug er kraftlos nach mir und verfluchte mich in Sprachen, die ich noch nie gehört hatte. Aber er konnte sich nicht aus der Badewanne erheben, und ich musste nur zurücktreten

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