Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
Wissenschaftler nickt. ›Ja, dafür braucht man Mut, nicht wahr … und wie viele haben schon mal einen Geist berührt?‹ Alle bis auf drei Hände gehen runter. ›Schließlich‹, sagt der Wissenschaftler, ›wie viele haben schon mal mit einem Geist geschlafen?‹ Zwei Hände gehen runter, eine ganz hinten im Saal bleibt oben. Sie gehört einem kleinen, alten Burschen in einem schmutzigen Regenmantel. ›Sir, Sie verblüffen mich‹, sagt der Wissenschaftler. ›Ich habe diese Frage schon an die tausendmal gestellt, und noch nie hat jemand mit Ja geantwortet. Ich habe noch nie jemanden getroffen, der Sex mit einem Geist hatte.‹ ›Geist?‹, fragt der alte Bursche. ›Verzeihung, ich dachte, Sie hätten Geiß gesagt …‹«
Cheryl johlte, und Jon meinte, den habe er schon mal gehört. Witze über Ziegen folgten, und die ganze Zeit versuchten wir, einen zu finden, der einigermaßen jugendfrei war. Es stellte sich heraus, dass es keinen gab.
Rich holte die nächste Runde Getränke und ich die danach. Jon kippte seinen dritten Wodka mit unschicklicher Hast runter und sagte etwas von einer älteren Verabredung. Rich bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick, aber er hatte nicht vor, sich dafür zu schämen, dass er diese Runde noch mitgenommen hatte. Er wünschte uns eine gute Nacht und ging, ohne sich noch mal umzudrehen.
»Geizkragen«, brummte Rich.
»Ach, lass ihn«, sagte Cheryl. »Er kann nichts dafür. Du siehst ja, was er sich zum Mittagessen bestellt. Er kommt nur zurecht, wenn er seine Pennys zählt, das ist alles.«
»Wo steht er politisch?«, fragte ich wie nebenbei.
»Politisch?«, wiederholte Cheryl verständnislos. »Keine Ahnung. Ich glaube, er hat gar keine politische Richtung, es sei denn, es zählt, dass er Fulham unterstützt. Weshalb?«
»Er sah ziemlich bedrückt aus, als er mich sah. Ich frage mich, ob er zum Odem gehört.«
»Oh!« Sie erkannte, worauf ich hinauswollte, und ihre Augen wurden groß, als sie über diese Möglichkeit nachdachte. »Ich weiß nicht. Möglich. Er schien für seine Mitmenschen nie viel übrig zu haben, um ehrlich zu sein, aber die sind schon ein seltsamer Verein, nicht wahr? Meine frühere Mitbewohnerin war eine von ihnen, und sie ging an den Wochenenden zum Friedhof der Waltham Abbey und las aus Gibbons Verfall und Untergang des Römischen Reichs vor – ich glaube, weil sie dachte, die Geister bräuchten ein wenig intellektuellen Anreiz. Es kam mir immer ein bisschen grausam vor.«
Die Lebensodem-Bewegung – oder der Odem, wie die meisten Leute sie nannten – war eine alternative Interessensgruppe, die sich für Gesetzesänderungen stark machte, die den Umgang mit lebenden Toten regelten. Geister und Zombies, sagten sie, seien noch immer Personen; sie hätten Rechte, die anerkannt und gesetzlich abgesichert werden müssten. Einige von ihnen dachten genauso über die schillernderen Gruppen von Untoten, aber es gab dort einige Kontroversen. Welche Rechte hatten zum Beispiel Besessene, und wer sollte in ihren Genuss kommen? Der Wirtskörper oder der Geist, der in ihn gefahren war? Was war mit Werwesen? Es hatte sich ein wenig zu einem Zirkus entwickelt. Die Regierung – New Labour, aber mit verblasstem Ruhm – hatte einige vorsichtige Anläufe gemacht, die Toten gesetzlich anzuerkennen, was die Tories dazu gebracht hatte, mit dramatisch zitternden Fingern auf das Erbgesetz zu verweisen. Wie sollte man es wirksam anwenden, wenn sich herausstellte, dass man tatsächlich alles mitnehmen konnte? Was war mit Strafverfahren? Konnte ein Toter gegen seinen Mörder aussagen oder selbst wegen Mordes vor Gericht stehen, und wenn er für schuldig befunden wurde, wie zum Teufel sollte man ihn bestrafen und so weiter und so weiter.
Mein eigenes Gewerbe war natürlich ein wenig in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt worden. Wenn Tote Rechte hätten, dann besagte eines dieser Rechte vermutlich, dass man sie nicht mithilfe der fröhlichen Melodie einer Tin Whistle in den Orkus blasen durfte – oder mit einem Gedicht, einer technischen Zeichnung, einer Serie komplizierter Handbewegungen oder welcher anderen Art von Zaubertrick auch immer, die der jeweilige Exorzist bevorzugte, während er sich brennend und schlitzend seinen Weg durch die natürliche Ordnung der Dinge bahnte.
Ich ließ das alles, so gut es ging, an mir vorbeiziehen, aber der Odem wurde allmählich zum Problem für mich – so wie die anderen, früheren Kämpfer für die Rechte
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