Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
uns noch einmal sehen«, sagte er schließlich mit einem höflichen, ausdruckslosen Lächeln. Wie schon vorher signalisierte er, dass ich entlassen war, indem er den Blick wieder auf sein Notizbuch richtete. Scrub, dem das Ganze entgangen war, stapfte bereits durch den Bühnenbereich zurück zur Straßentür. Eine neue Blondine tanzte sich durch eine neue Garnitur Reizwäsche, und die Ränge der Bierglasfreier waren mächtig angewachsen.
Ich schnappte meinen Mantel und durchquerte den Raum in Scrubs breitem Fahrwasser. Ich musste gegen die bittere Galle ankämpfen, die in meiner Kehle aufstieg. Ich hielt sie unten. Ich wünschte, ich hätte das auch mit dem elenden Strom von Bildern und Impressionen tun können, der sich immer noch durch mein Hirn wälzte. Ich schwor mir, nie wieder hierherzukommen, selbst wenn dieser augenbrauenlastige Bastard die Fremdenlegion abkommandierte, um mich aufzugreifen.
Der Wieselmann Arnold saß nun am Tisch im Foyer. Scrub murmelte die Worte »zwei Scheine«, als er ihn passierte, und bezog dann Posten auf der Straße. Mir fiel es schwer, zu glauben, dass seine Anwesenheit die Laufkundschaft anlocken würde, obgleich der Club in dieser Hinsicht anscheinend keine Not litt. Der Regen hatte inzwischen nachgelassen, und der Abend war wieder frisch und windig. Möglicherweise half das.
Arnold bezahlte mich mit angestrengter Konzentration in Fünfern und Zehnern, wobei er beim Zählen die Lippen bewegte. Ich nahm die Scheine wortlos entgegen und stopfte sie in die Gesäßtasche. Bis zu einem gewissen Punkt habe ich keine Abneigung gegen schmutziges Geld, aber ich fühlte mich in diesem Moment nicht besonders glücklich. Ich gelangte auf die Straße und hoffte, ohne wirklich damit zu rechnen, den BMW um die Ecke rollen und vor mir anhalten zu sehen. Dieses Glück war mir nicht beschieden. Es bestand nicht die gleiche Eile, mich heimzubringen, wie mich herzuholen. Scrubs massige Hand legte sich auf meine Schulter.
Ich drehte mich um. Er sah mit einem Ausdruck kalkulierender Nachdenklichkeit auf mich herab.
»Du benutzt Musik«, stellte er mit tiefer Stimme fest.
Ich wusste, was er meinte. »Ja.«
»Du spielst ein kleines Lied.«
»Genau.«
Er berührte mit der Spitze seines Zeigefingers unmerklich meinen Adamsapfel.
»Ich könnte dir die Gurgel zerreißen, ehe du zum zweiten Ton kommst.«
Nachdem er seinen Standpunkt klargemacht hatte, ging er wieder hinein.
Ich marschierte hinaus in die Nacht, während der eisige Wind in mich und ein sich windendes Nest voller Würmer in meinem Kopf hineinschnitt. Ich war ruhelos, nass und weit weg von zu Hause. Gut, nicht geografisch, aber psychologisch. Die beklemmende Begegnung mit Damjohn hatte mich getroffen und aus dem Gleichgewicht gebracht – der Inhalt seines Kopfs klebte an mir wir halb getrocknetes Erbrochenes. Aus Selbstschutz lenkte ich meine Gedanken auf die Lage im Bonnington. Das machte mich zwar nicht froher, aber zumindest beschäftigte es mein Gehirn auf andere Art und Weise.
Ich hatte die russische Sammlung bis auf einen kleinen Rest untersucht, und wenn ich nichts fand, hatte ich nichts, um meine Verlegenheit zu kaschieren. Konnte ich mich darin geirrt haben, dass der Geist an diese Dokumente gebunden ist? Ich hatte ein paar Schnitte mit Ockhams Rasiermesser gemacht, und das war es, was am Ende herauskam, aber das machte es nicht besser. Ich hatte keine Lust, einen Rückzieher zu machen und mich neu zu orientieren, während mir Peele und Alice ständig im Nacken saßen.
Da waren aber immer noch die letzten Kartons. Möglich, dass hier Murphys Gesetz galt und dass sich der Geist-Anker als eins der Dokumente an unterster Stelle im Stapel entpuppte.
Ich schlüpfte in meinen Mantel, schob aus Gewohnheit eine Hand in die Tasche und spürte das stachlige, kantige Gewicht von Alice’ Schlüsseln.
10
I ch hatte begonnen, mich für Schlösser zu interessieren, als ich auf der Uni an meiner Zaubernummer arbeitete. Ich hatte die Idee, auch ein wenig Entfesselungskunst einzubauen, also gab ich das Wort »Handschellen« in einige Suchmaschinen ein und lehnte mich zurück, um mir anzusehen, was sich ergeben würde. Ich lernte sehr viel durch diese Übung, jedoch mehr über die Randbezirke einvernehmlicher sexueller Aktivität als über Entfesselungskünstler.
Dann erwähnte Jimmy, der Barkeeper im Welsh Pony am Gloucester Green, einen Knaben, den er kannte: Tom Wilke, den Banbury-Banditen, der gerade zwei Jahre wegen
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