Felsen der Liebe
bleiben, während Maxine mit ihrem Onkel zur Kirche ging. Meg hatte darauf bestanden, am Abend wieder nach London zurückzukehren. Maxine hatte ihr nämlich erzählt, Guy hätte sie eingeladen, ein paar Tage in Heron’s View zu bleiben. Meg dagegen glaubte, dass es Maxines Idee gewesen war und er sich nur hatte breitschlagen lassen.
Jedenfalls wollte Meg auf keinen Fall dort bleiben. Dieses Kapitel ihres Lebens war abgeschlossen. Nachdem Caroline und nun auch Jack gestorben waren, war Guy der Einzige, der Meg daran erinnerte, wie naiv sie einmal gewesen war. Und er wollte den Kontakt zu ihr ebenfalls für immer abbrechen.
Obwohl Jack und sie bereits vor zehn Jahren geschieden worden waren, fühlte sie sich erst jetzt wirklich frei. Vorher hatte sie stets einen Rückzieher gemacht, wenn sie einen Mann näher kennen gelernt hatte. Vielleicht hatte sie Angst davor, dass ihre nächste Beziehung genauso scheiterte, oder sie war gar nicht mehr in der Lage, jemand zu lieben. Doch womöglich würde sich das jetzt ändern …
“Das wird ja immer schlimmer mit dir!”, riss Maxine sie erneut aus ihren Gedanken.
Meg, die geistesabwesend aus dem Fenster geschaut hatte, drehte sich um. “Schlimmer?”
“Ja, du träumst andauernd.”
“Tatsächlich?” Bis jetzt war es ihr noch gar nicht aufgefallen. “Na ja, das ist sicher nichts Außergewöhnliches”, fügte sie hinzu, während sie sich fragte, warum sie sich Maxine gegenüber eigentlich ständig rechtfertigte.
“Andere Mütter machen das nicht”, behauptete Maxine. “Sie ermahnen eher ihre Kinder, es nicht zu tun.”
“Das sind wahrscheinlich dieselben Mütter, die ihren Kindern auch den Mund verbieten.”
Maxine zog ein Gesicht und schüttelte dann den Kopf. Offenbar war ihr klar, dass es überhaupt keinen Zweck hatte, ihre Mutter zu verbessern.
“Du hast mir zu wenig Geld gegeben”, erklärte Maxine anschließend. “Gibst du mir bitte noch fünfzig Pence?”
“Hier.” Meg gab ihr zwei Pfundnoten. “Kannst du mir einen Kaffee mitbringen? Ich verspreche dir auch, dass ich mit dem Träumen aufhöre.”
“Klar, Mum.” Maxine lächelte sie an.
Vielleicht bin ich keine gute Mutter, dachte Meg. Andererseits war Maxine ziemlich rebellisch und hätte sich gegen eine strengere Mutter erst recht aufgelehnt. Meg machte sich jedoch nichts vor. Wenn ihre Tochter ins Teenageralter kam, würde alles noch schwieriger werden. Ob es leichter wäre, wenn ich einen Partner hätte, mit dem ich meine Probleme teilen könnte? überlegte Meg.
Ihr war klar, dass Maxine auf jeden Mann eifersüchtig sein würde – so nett er auch sein mochte –, und sie, Meg, dazu bringen würde, sich zwischen ihnen zu entscheiden. Meg wusste das aus Erfahrung. Zum Beispiel hatte es Bob gegeben, einen Werbefachmann – fünfunddreißig, geschieden, aber kinderlos, sehr attraktiv und nett. Obwohl er gut mit Kindern hatte umgehen können, hatte er zu Maxine überhaupt keinen Draht bekommen. Maxine hatte aus ihrer Abneigung gegen ihn keinen Hehl gemacht, und irgendwann war er wieder aus Megs Leben verschwunden, zumal sie bis dahin nicht mit ihm geschlafen hatte.
Meg seufzte und zwang sich dazu, sich wieder auf die Gegenwart zu konzentrieren. In einer halben Stunde würde der Zug in Truro eintreffen. Guy hatte ein Hotelzimmer für sie reserviert und ein Taxi zum Bahnhof bestellt. Sie brauchte also nur Maxine auf die Beerdigung vorzubereiten und abzuwarten, bis alles vorüber war und sie wieder nach London fahren konnte. Solange sie nicht zu sehr in Erinnerungen schwelgte, würde sie es vermutlich gut überstehen …
“Da ist Onkel Guy!”, rief Maxine entzückt, als Meg mit ihr auf dem Bahnsteig in Truro entlangging.
Bestürzt stellte Meg fest, dass Guy tatsächlich auf sie wartete. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, ihn nur noch zweimal in ihrem Leben zu sehen – wenn er Maxine im Hotel abholte und wenn er sie wieder zurückbrachte.
“Ich hatte gerade Zeit, deshalb bin ich gekommen”, beantwortete er Megs unausgesprochene Frage, bevor er ihr die Reisetasche abnahm.
Während Meg ihm und Maxine folgte, drehte er sich ein paar Mal ungeduldig um, um sich zu vergewissern, dass sie noch da war.
Sobald sie den Parkplatz erreichten, wandte er sich an Meg. “Mein Wagen steht am Ende der ersten Reihe. Ich muss kurz telefonieren.” Dann drückte er ihr den Schlüsselbund in die Hand und eilte davon.
“Komm doch, Mum!” Maxine ging bereits auf den Wagen zu.
Einen Moment lang
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