Felsen der Liebe
spielte Meg mit dem Gedanken, einfach wegzulaufen und ein Taxi zu rufen. Doch das wäre kindisch gewesen, und außerdem hatte Guy immer noch ihre Tasche. Also folgte sie ihrer Tochter.
Maxine blieb neben einem weißen Mercedes stehen.
“Das ist er nicht. Sein Wagen ist grün.” Meg blickte suchend auf die Reihe dahinter.
“Er hat gesagt, dass es der letzte Wagen in dieser Reihe ist”, erinnerte Maxine sie.
Erst jetzt wurde Meg klar, dass es zwölf Jahre her war, seit Guy sie in seinem grünen Jaguar umherchauffiert hatte. Sicher hatte er mittlerweile mehrere andere Autos gehabt.
“Und was ist, wenn es doch nicht seiner ist?”, wandte sie ein.
“Keine Angst, Mum. Sieh mal!” Maxine nahm ihr den Schlüsselbund aus der Hand, zeigte damit auf den Wagen und drückte auf einen Knopf. Als die Entriegelung aufging, warf Maxine ihr einen triumphierenden Blick zu.
“Wow!”, rief sie begeistert, als sie einstieg, beeindruckt von der luxuriösen Ausstattung.
Während Meg auf dem Rücksitz Platz nahm, dachte sie daran, dass Maxine unter ganz anderen Umständen aufwuchs als sie damals. Zwar war ihr Vater arm gestorben, doch vorher hatte er ein Vermögen verdient und Meg einen hohen Lebensstandard geboten. Maxine dagegen war in ganz anderen Verhältnissen groß geworden und es gewohnt, von ihr den Satz zu hören: “Das können wir uns nicht leisten.” Meg wusste nicht, wie sehr Maxine darunter litt. Die wenigen Male, bei denen Jack etwas mit ihr unternommen hatte, war er mit ihr in die exklusivsten Restaurants gegangen und hatte anschließend mit ihr einen Großeinkauf bei Harrods gemacht. Einmal hatte er ihr einen Reitdress gekauft, aber das Pferd, das er ihr versprochen hatte, hatte sie nie bekommen.
“Ist Onkel Guy reich?”, erkundigte Maxine sich.
“Keine Ahnung”, erwiderte Meg. “Frag ihn doch einfach.”
“Okay.” Maxine lächelte schelmisch, denn gerade in diesem Moment kam ihr Onkel zurück. Sobald er hinter dem Steuer Platz genommen hatte, meinte sie: “Onkel Guy, ich würde gern etwas wissen …”
“Maxine!”, ermahnte Meg sie scharf.
Während er neugierig von Mutter zu Tochter blickte, fuhr Maxine fort: “Ob ich das Fenster aufmachen kann.”
“Ja, natürlich”, antwortete er und warf nun Meg einen fragenden Blick zu. “Stimmt etwas nicht?”
“Nein, nein”, versicherte Meg eine Spur zu hastig. Als er sie eindringlich betrachtete, sah sie schnell weg. Nur vierundzwanzig Stunden, sagte sie sich. So lange musste sie es schaffen, ihn auf Distanz zu halten.
“Mum dachte, es wäre das falsche Auto”, erklärte Maxine, nachdem er sich wieder umgedreht hatte.
“Das falsche Auto?”, wiederholte er erstaunt.
“Sie dachte, dein Auto wäre grün”, plapperte Maxine weiter.
“Ich hatte mal ein grünes Auto. Es ist lange her”, meinte er mit einem amüsierten Unterton.
“Wann habt Mum und du euch kennen gelernt?”
“Im September ist es dreizehn Jahre her.”
Meg war überrascht, dass er nicht nachzurechnen brauchte. Wusste er es deswegen so genau, weil er sich ungern daran erinnerte?
“Wow, das ist aber lange her!”, rief Maxine. “Ich dachte, nach der Scheidung würdet ihr euch nicht wiedersehen. Ich meine, du bist Dads Bruder und musstest auf seiner Seite stehen.”
“Maxine!”, rief Meg empört.
“Was ist?”, entgegnete ihre Tochter mit Unschuldsmiene.
“Wäre es vielleicht möglich, dass du nachdenkst, bevor du den Mund aufmachst?”
“Ja”, erwiderte sie trotzig.
“Maxine kann mich fragen, was sie will”, mischte Guy sich ein. “Die Wahrheit ist”, fuhr er an Maxine gewandt fort, “dass es für mich nicht einfach war. Wenn Jack nicht mein Bruder gewesen wäre, hätte ich den Kontakt zu deiner Mutter gern aufrechterhalten.”
Dieser unverschämte Lügner! Am liebsten hätte Meg laut aufgeschrien und auf ihn eingeschlagen, damit er den Schmerz verspürte, den sie damals empfunden hatte. Stattdessen lehnte sie sich jedoch zurück und ballte die Hände zu Fäusten, um nicht die Beherrschung zu verlieren.
“Na ja, jetzt ist Dad tot …” Maxine verstummte und schaute sich zu ihrer Mutter um.
Doch Meg sah jetzt stur aus dem Fenster, um die Landschaft zu betrachten.
Guy wechselte wohlweislich das Thema und bereitete Maxine seelisch auf die Beerdigung vor. Meg musste sich eingestehen, dass er es sehr geschickt machte. Ruhig erzählte er Maxine, was sie am nächsten Tag erwarten würde, damit sie keinen Schock erlitt. Vielleicht hatte er gemerkt,
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