Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
sich langsam in der Morgensonne zu röten begann.
»Vielleicht, weil uns solch ein Mord zu schnell auf die richtige Fährte führen würde. Mit der Geiselnahme soll etwas verdeckt und hinausgezögert werden. Der Täter braucht offensichtlich Zeit, er will uns hinhalten. So wie er uns gestern den ganzen Tag schon hingehalten hat.«
Die Tür sprang auf, und der Chef Jennerweins, Polizeioberrat Dr. Rosenberger, betrat den Besprechungsraum.
»Entschuldigen Sie, dass ich so unangemeldet hereinplatze.« Seine sonore Stimme dröhnte durchs Zimmer. Er begrüßte alle Anwesenden. Auch von ihm hing eine Karikatur an der Wand. Er hatte darüber sehr gelacht – ›Rosi‹, wie er genannt wurde, war durchaus mit der Gabe des Humors gesegnet. Er war sitzend an seinem Schreibtisch gezeichnet worden. Die eine Hand war weit ausgestreckt, mit ihr packte er einen Ganoven mit Schiebermütze am Kragen, mit der anderen Hand schrieb er an seiner Untersuchung
Kriminalgeschichte des Werdenfelser Landes
. Sein Kopf war nach oben gerichtet, dort strahlte in glorioser Leuchtschrift das Wort POLIZEIPRÄSIDENT . Jeder wusste, dass das sein Ziel war. Doch jetzt blickte Polizeioberrat Rosenberger ernst.
»Ich habe die Nachricht gerade bekommen. Heinz Jakobis Tod berührt mich sehr. Ich habe ihn gekannt. Er war Geschäftsführer bei einer spanischen Hoch- und Tiefbaufirma. Ich habe ihn einmal bei einem Empfang getroffen.«
In Jennerweins Hirn klingelte etwas. Er blickte schnell zu Nicole hinüber und konnte an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, dass sie den gleichen Gedanken wie er hatte. Nicole tippte etwas in den Rechner. Jennerwein wusste, wonach sie suchte. Diese Polizistin hatte das Gespür, das man brauchte, um einen Fall zu lösen, das wurde ihm von Mal zu Mal deutlicher. Die würde es ganz nach oben schaffen. Er wandte sich wieder an Dr. Rosenberger.
»Ich habe mehrfach versucht, Sie zu erreichen, um mir Ihr Okay für den Einsatz geben zu lassen – vergeblich. Ich habe mich trotzdem entschlossen, den Fall zu übernehmen und zu Ende zu führen, obwohl ich persönlich involviert bin.«
»Sie haben meine nachträgliche Zustimmung«, sagte Dr. Rosenberger schnell. Etwas zu schnell für Jennerweins Gefühl. Irgendetwas kam ihm hier äußerst merkwürdig vor. Aber vielleicht war er auch bloß übermüdet.
»Ich gehe wieder zurück zu den Bergwachtlern«, fuhr der Oberrat fort.
»Sie waren schon droben auf der Kramerspitze?«
»Ja, ich war schon von Anfang an bei der Suche dabei. Gerade vom Urlaub zurückgekommen – und gleich rein in die Bergstiefel.« Er wandte sich zum Gehen. »Ein tolles Team haben Sie da, Jennerwein. Das wollte ich Ihnen schon lang einmal sagen.«
Irgendetwas war auffällig an Dr. Rosenbergers Ton. Doch zum Überlegen blieb jetzt keine Zeit. Ostler kam mit einem Computerausdruck aus dem Nebenraum.
»Endlich habe ich etwas Brauchbares über diesen Jean-Jacques Arsenault in Erfahrung bringen können. Die Schweizer Kollegen waren äußerst hilfsbereit. Er ist zweimal wegen kleinerer Delikte eingesessen. Nach der letzten Freilassung hat er das Land verlassen, aber die CH -ollegen haben in Erfahrung bringen können, dass er momentan in einem mexikanischen CH -nascht sitzt. Übrigens schon seit zwei Jahren. Er hat also ein perfektes Alibi.«
»Und was haben Sie herausgefunden, Nicole?«
Nicole blickte von ihrem Rechner auf.
»Bei mir hat es ebenfalls geklingelt, als Dr. Rosenberger etwas von Hoch- und Tiefbau gesagt hat. Heinz Jakobi war nicht Geschäftsführer, sondern ein kleiner Standortmanager bei
Construcciónes Romper Barcelona
. Und genau diese Firma ist eine der Hauptbeteiligten beim Kramertunnelbau.«
»Hat denn Jakobis Tod gar nichts mit dem Klassentreffen, sondern mit dem Kramertunnel zu tun?«
Und dann kam Jennerwein ein noch viel schlimmerer Verdacht. Erst jetzt fiel ihm ein, dass eine spanische Ansage zu hören gewesen war, als er versucht hatte, seinen Chef zu erreichen. Wo war Rosenberger gewesen? Und war es nicht merkwürdig, dass er so schnell auf der Kramerspitze aufgetaucht war? Praktisch gleichzeitig, wenn nicht sogar noch vor ihm selbst? Konnte er nicht einmal mehr seinem Vorgesetzten trauen?
»Wir gehen jetzt folgendermaßen vor«, sagte er, wie um diese Gedanken abzuschütteln. »Wir konzentrieren uns voll und ganz auf die Vernehmungen der Geiseln. Bedenken Sie: Wir haben keinerlei Handhabe, die Leute hier festzuhalten. Auch der Täter wird bald freikommen. Und wir haben
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