Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
alter Herr. Er hatte einen Herzanfall und ist noch immer nicht bei Bewusstsein.«
»Könnte das nicht dieser Lehrer sein?«, sagte Maria. »Dieser Mathelehrer Max Schirmer? Der hat doch auch einen Beitrag für die Klassenzeitung geschrieben.«
Maria blätterte die entsprechende Seite auf und las:
… Ich kann mir natürlich schon denken, wo es hingehen soll … Ich werde also zu Fuß von der anderen Seite aufsteigen …
»Nein, nein, Max Schirmer kenne ich«, sagte Jennerwein, »den habe ich selbst als Lehrer gehabt. Der im Krankenhaus ist nicht unser Max Schirmer von den
Rampensäuen
. In der Tasche dieses Mannes steckte ein Navigationsgerät, wie es Geocacher verwenden. Wir konnten seine Identität noch nicht klären, er hatte keinen Ausweis bei sich.«
»Der harmlose Geocacher – das könnte doch seine Tarnung sein?«
»Denkbar wäre es. Er war wie Ronni Ploch nicht an den Boden gefesselt. Er ist zwar alt, aber sehr rüstig. Möglich ist alles. Wir werden ihn vernehmen müssen, wenn er wieder bei Bewusstsein ist.«
Maria erhob sich.
»Ich tippe trotzdem auf ein Schuldrama. Nach der Analyse der Klassenzeitung haben wir es mit einer hochpsychotischen Aggressionsmelange zu tun. Vielleicht hat dieser angeblich harmlose Geocacher eine Rechnung mit jemandem aus der Klasse offen?«
Der harmlose Geocacher lag auf der Intensivstation. Seine Lippen waren zyanotisch blau, seine Augen geschlossen, er bekam das Getöse der Geräte um ihn herum kaum mit. Im hintersten Winkel seines alten, rüstigen Schädels jedoch rumorte es. Eine kleine Szene stieg an die Oberfläche seines Bewusstseins. Er hatte sich über den gelbschwarzen Mann gebeugt, und der hatte ihm etwas ins Ohr geflüstert. Aber was? Und jetzt stiegen die Silben vollends in sein Bewusstsein, … scho … schan … Er versuchte es zu formulieren, er versuchte, die blauen Lippen zu bewegen.
»Ja, was hamma denn?«, flüsterte die Krankenschwester beruhigend und tupfte ihm die Lippen ab.
Jennerwein stand auf. Er schien wieder gefasster als vorher. Alle konnten es bemerken. Kampfeswille stand in seinen Augen.
»Ich habe eine Liste der Opfer aufgestellt, deren Zustand so gefestigt ist, dass wir sie am frühen Vormittag schon vernehmen können. Wir bleiben natürlich im Rahmen der ärztlich und polizeilich erlaubten Befragungsbedingungen, das ist ganz klar. Aber die Vernehmungen sollten nach der provokativen Methode gestaltet werden. Wenn der Täter unter ihnen ist, dann hat er sich auch auf diese Befragung gut vorbereitet. Wir versuchen ihn also mit Fragen zu packen, die abseits des Kernmotivs liegen. Er muss sich zu unüberlegten Aussagen hinreißen lassen.«
»Teilen wir den Geiseln die beiden Todesfälle mit?«, fragte Nicole.
»Ich würde sagen: ja«, antwortete Maria. »Es ist besser, sie erfahren es zuerst von uns.«
Alle nickten zustimmend.
»Ich bin mir inzwischen sehr sicher«, sagte Jennerwein, »dass sich der Geiselnehmer unter den zwölf Lebenden befindet – den Geocacher lasse ich mal außen vor. Bedenken Sie das bitte bei den Befragungen. Bitte geben Sie keine Ermittlungsergebnisse preis. Ich bin auch ganz sicher, dass dieser Geiselnehmer sein Projekt noch nicht zu Ende geführt hat. Er hat zwei Menschen umgebracht. Aber wir wissen nicht, was er eigentlich vorhat. Es ist durchaus möglich, dass sich die anderen Geiseln in großer Gefahr befinden. Platzieren Sie also nebenbei die Information, dass sich immer jemand von uns auf der Etage befindet. Übertreiben Sie die Polizeipräsenz lieber ein wenig.«
»Es liegt übrigens auch ein SEK -Mann auf der Station«, sagte Nicole. »Er hat sich mir zu erkennen gegeben.«
»Eingeschleust?«, fragte Ostler. »Ohne dass wir es wissen?«
»Nein, er ist wirklich als Patient dort. Er war beim Einsatz auf dem Kramer dabei, er war bewaffnet wie Rambo, umgehauen hat ihn dann ein Mückenstich, der bei ihm eine anaphylaktische Reaktion ausgelöst hat. Derzeit nicht einsatzbereit. Er hat mir gesagt, dass er trotzdem die Augen offen halten will.«
Maria Schmalfuß war aufgestanden, sie schritt unruhig im Raum umher.
»Was mir nicht aus dem Kopf geht: Warum dieser große kriminelle Aufwand? Warum eine Geiselnahme? Der Täter will etwas erpressen oder erzwingen. Warum geht er nicht hin, passt sein Opfer ab, holt sich seine Sache oder seine Information und bringt das Opfer dann zum Schweigen?«
Jennerwein stand ebenfalls auf, blickte aus dem Fenster und betrachtete einen fernen Bergkamm, der
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