Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
nachträglich per kostenfreier SMS –«
»Die Nummer!«
Jennerwein schnappte nach Luft. Dörte Lassenbüker gab ihm endlich die Nummer. Jennerwein wählte, auch hier sprang wieder nur der Anrufbeantworter an. Höllischer Punkrock ertönte. Dann jedoch hörte er eine altbekannte Stimme.
Alles ist Kunst! Was du auch hier draufsprichst, ich werde deine Worte bei einer meiner nächsten Toncollagen verwenden, mit der ich beim Deutschen Klangfestival vertreten bin. Also sei locker – erzähl mir was!
Wieder brach die musikalische Hölle los, mit einem verzerrten Gitarrensolo, vermutlich von Viskacz selbst eingespielt. Jennerwein bat um Rückruf.
Die Nachricht hu! 239 b.gu konnte also auch von Gunnar sein. Sie hatten ebenfalls telefoniert, sogar mehrmals, vor ein paar Jahren. Jennerwein war damals bei der Ordnungspolizei gewesen, noch nicht bei den Kriminalern.
»Grüß dich, Hubertus«, hatte Gunnar gesagt. »Lange nichts mehr voneinander gehört.«
»Da hast du recht.«
»Bei den Klassentreffen lässt du dich ja auch nicht blicken.«
»Gehst
du
denn hin?«
»Meistens nicht. Jetzt aber zum Grund meines Anrufs.«
»Ich höre.«
»Ich habe ein neues Projekt.
Die Ärzte
geben ein Konzert im Kurort. Ich bin für die Spezialeffekte verantwortlich.«
»Die Ärzte?
Da musst du mir Karten besorgen.«
»Mach ich. Aber für einen Song bräuchten wir echte Böllerschüsse. Ist das möglich? Muss man das genehmigen lassen?«
»Ja klar. Du musst ein Formular ausfüllen: Anzahl der Waffen, Typ der Waffen, Dezibelzahl, Platz, an dem geschossen wird. Und so weiter.«
»Wo bekomme ich das?«
»Beim Ordnungsamt.«
Jennerwein unterstützte Viskacz, wo er nur konnte. Das Konzert wurde ein voller Erfolg. Die Gebirgsschützen-Kompanie schoss bei dem Superhit ♫
Gestern Nacht ist meine Freundin explodiert
Salut. Die Mannen um Hauptmann Matthias Hickenbichler und die
Ärzte
tauschten gegenseitig Autogramme aus.
Jennerwein lächelte. Er steckte das Handy ein und machte sich auf den Weg zu seinem Treffpunkt mit Professor Köpphahn. Er versuchte das Thema Klassentreffen aus seinem Kopf zu verbannen. Es ging jetzt um nichts anderes als seine berufliche Zukunft.
15
Tom schaffte es.
Tom wusste, dass ein Hechtbagger beim Beachvolleyball eine wirklich spektakuläre Showeinlage war. Noch in der Luft reckte er sich. Er spannte seinen Körper wie Shawnan, der König der Avatare. Er wusste, dass ihn Mona beobachtete, das gab ihm noch einen zusätzlichen Schub, einen Kick, die Kraft, sich groß und größer zu machen. Tom gab alles. Tom fuhr unter den Ball wie ein rauschender Brecher unter eine überhängende Klippe. Und er schaffte es. Er erreichte den Ball mit der offenen Hand und schleuderte ihn mit der letzten Kraft seiner ausgestreckten Finger hoch. Der Ball stieg und näherte sich dem Netz. Tom hörte, wie das tosende Geschrei der Zuschauer anschwoll. Der Ball schlingerte auf der Netzkante, er kam fast auf der Netzkante zu liegen, er drohte ins eigene Spielfeld zu fallen und die ganze showmäßige Baggerhechterei zunichtezumachen! Tom vergrub den Kopf im Sand. Keine Chance mehr, da einzugreifen. Doch der Ball überlegte es sich anders. Er kippte gemütlich auf die gegenüberliegende Seite, ins gegnerische Windows-Feld. Mit solch einer Kapriole hatten die Spieler nicht gerechnet. Sie mussten zusehen, wie der Ball auf lächerliche, schier hämische Weise in den Sand plumpste. Aus. Verloren. Geschlagen. Aufgerieben. Am Boden zerstört und sämtlicher Illusionen beraubt. So standen die Windows-User da. Toms samba-rumba-tango-mäßige Hechtbaggergranate hatte sie fertiggemacht. Die Hände der Windowsler hingen schlaff herunter. Die Macs hatten gesiegt. Sie johlten und schrien und rannten auf Tom zu. Tom hatte alles gegeben. Er lag im Sand und blieb dort liegen wie ein Troll bei einem Jump-’n’-Run-Videospiel, wenn er das letzte seiner sieben Leben verloren hatte.
Volleyball ist das am weitesten verbreitete Spiel auf dem Globus. Tom wusste natürlich, wie diese Sportart entstanden war. Die Wurzeln des Spiels liegen in den Bergebenen Perus. Entstanden sein soll es auf den Inkaterrassen von Pisaq, in einer Gegend, die dem bayrischen Alpenvorland durchaus vergleichbar ist. Unter der Regentschaft von Pachkutiq, dem neunten und grausamsten Herrscher über das Inkareich, soll das Spiel Lfloxchatl (Kampf der Erlesenen) seine Blütezeit gehabt haben. Es ähnelte in vielem schon dem heutigen Volleyball.
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