Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
aus. Genauer gesagt nach Geocaching. Der rüstige Trekker war eine neue Subspezies des althergebrachten Wanderers, ein mit einem GPS -Empfänger bestückter elektronischer Schnitzeljäger. Dieser Wanderertyp durchstreift die meist hügelige Landschaft, um mittels GPS -Signal und geheimnisvollen Hinweisen von Versteck zu Versteck zu eilen und schließlich zum Superversteck, zum eigentlichen Cache, zu gelangen, wo eine kleine oder größere Belohnung auf ihn wartete. Der rüstige Alte kam gerade vom Wank. Dort hatte er ein kleines Döschen vorgefunden mit einem Zettel, der ihn wieder nach unten in den Kurort schickte:
Wochenmarkt, Laternenpfahl hinter dem Floristen.
Der rüstige Alte brauchte nicht lange zu suchen. Links hinter dem Floristenstand erblickte er ein Elektrohäuschen mit einem auffälligen Graffito. Rechts befand sich die Laterne, auf der mit winziger Schrift geschrieben stand:
47 ° 30 ' 28 '' N 11 ° 2 ' 52 '' O
Der Koordinatenpunkt war einen knappen Kilometer von hier entfernt. Doch der Rüstige wusste, dass höchstwahrscheinlich ein Berg zu besteigen war. Gutgelaunt wandte er sich Richtung Westen. Er freute sich auf die Wanderung. Hinter ihm zogen ein paar dunkle Wolken auf, aber das würde vielleicht gerade einen erfrischenden Regenschauer abgeben. Frisch und gestärkt von einem Fettspritzknackbrutzler vom Würschtlmo, im Rucksack ein Pfund Käse vom Allgäuer Schmierkäsespezialisten, machte er sich auf. Er sang ein fröhliches Wanderlied. Er wusste noch nicht, dass er bald eine grausige Entdeckung machen würde.
14
Jennerwein blickte auf die Uhr. Noch zehn Minuten bis zum Treffen mit dem Professor. Ihm war eingefallen, dass zumindest ein weiterer Klassenkamerad seine Mobiltelefonnummer hatte, nämlich Gunnar Viskacz. Die Abkürzung ›gu‹ könnte auch für Gunnar stehen. Er wunderte sich, dass ihm ausgerechnet der nicht eingefallen war. Viskacz war eindeutig die schillerndste Figur, die die Klasse hervorgebracht hatte. Er hatte Musik studiert und verschiedene Bands gegründet. Dann hatte er als Soundmixer und Studiomusiker gejobbt und bei einigen internationalen Festivals als Tondesigner und Klangraumarchitekt mitgewirkt – was darunter auch immer zu verstehen war. Ob er immer noch stolz erzählte, zweiter Ersatzschlagzeuger bei den
Ärzten
gewesen zu sein? Ob er überhaupt noch im Geschäft war? Jennerwein wollte nicht schon wieder bei der Dienststelle anrufen. Bei der normalen Auskunft ging es sicher schneller.
»Hier ist die Telefonauskunft der deutschen –«
Die Dame frieselte stark. Man glaubte die Wellen der Nordsee im Hintergrund rauschen zu hören. Jennerwein unterbrach sie ungeduldig.
»Ich weiß, ich weiß. Ich will bloß eine Nummer wissen.«
»Entschuldigen Sie, aber ich bin verpflichtet, Ihnen die vollständigen –«
»Hören Sie, ich bin sehr in Eile.«
»Trotzdem muss ich Ihnen zumindest meinen Namen sagen.«
»Warum das denn?«, seufzte Jennerwein.
»Wenn Sie sich später beschweren wollen –«
»Dann sagen Sie mir bitte Ihren Namen.«
Jennerwein trommelte mit den Fingern nervös an seiner Hosennaht. Die meerumspülte Dame ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Hier ist die Telefonauskunft der deutschen –«
»Ihren Namen! Nur Ihren Namen! Dann die Nummer!«
»Mein Name ist Dörte Lassenbüker.«
»Endlich.«
»Sind Sie damit einverstanden, dass wir dieses Gespräch zu internen Kontrollzwecken aufzeichnen?«
»Ja, zeichnen Sies meinetwegen auf!«
»Wie kann ich Ihnen weiterhelfen? Oder nein, entschuldigen Sie:
Was kann ich für Sie tun?
So heißt es seit neuestem.«
»Das ist doch beides vollkommen –«
Dörte Lassenbüker blieb ruhig.
»Nein, bei der Formulierung
Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?
haben sich einige Kunden wegen Diskriminierung beschwert.«
Jennerweins Stimme überschlug sich.
»Diskriminierung?«
»Naja, das
helfen
drängt den Kunden sofort in eine Opferrolle. Also: Was kann ich für Sie tun?«
Jennerwein japste. Er rasselte die Daten herunter.
»Name des Teilnehmers: Gunnar Viskacz. Wie Wisch und Kasch. Ich buchstabiere.«
»Eine Adresse haben Sie nicht?«
»Wie gesagt: nein.«
»Viskacz, Viskacz. Da habe ich nur einen einzigen Eintrag.«
»Sagen Sie mir bitte die Nummer!«
»Viskacz, Gunnar. Studiomusiker, Komponist, Tondesigner. Soll ich Ihnen die Nummer kostenfrei aufs Handy –«
»Bitte sagen Sie mir die Nummer, jetzt sofort.«
»Wie Sie wünschen. Soll ich Ihnen die Nummer dann noch
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