Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
Vom Netzwerk:
du?! Warum machst du das! Dein Plan ist im Arsch! Lass uns in Ruhe!«
    Im gleichen Augenblick, in diese zornige Kaskade hinein, war Houdini aufgesprungen. Er setzte zu einem mächtigen Spurt an. Er hechtete, er explodierte. Die ersten paar Schritte seines Plans schienen zu funktionieren. Er vergaß sein Alter, seine Unbeweglichkeit, seine Angst. Die Verzweiflung verlieh ihm Riesenkräfte.
     
    Im gleichen Augenblick hatte der mit der Lederjacke in seinen Rucksack gegriffen, die Spritze herausgeholt, sie zwischen die Beine geklemmt, die Ampulle aufgebrochen, die Spritze aufgezogen, mit der freien Hand ausgeholt zum Stich – da hörte er, dass jemand den Gangster mit dem Namen Jean-Jacques anschrie. Wer zum Teufel war Jean-Jacques? Jetzt war er selbst es, der abgelenkt war. Er stach nicht sofort zu, wie er es geplant hatte – und schon war der Gangster wieder außer Reichweite, denn er hatte sich blitzschnell zum Bärtigen umgedreht, der den Namen Jean-Jacques geschrien hatte, er lief drei, vier Schritte auf ihn zu und trat ihm mit voller Wucht ins Gesicht. Der Bärtige brüllte auf wie ein Tier. Der Gangster kam wieder zurück, in Reichweite der Spritze. Jetzt oder nie! Der mit der Lederjacke holte aus, wollte kraftvoll und mit ganzem Körpereinsatz zustechen, doch dann bekam er selbst einen derben Stoß, einen Schlag in die Seite, jemand stürzte über ihn. Er erschrak furchtbar. Die Spritze fiel ihm aus der Hand und zerbrach, er konnte sie gerade noch mit dem Körper bedecken. Sie war jetzt vollkommen wertlos. Sie bedeutete nur noch eine riesengroße Gefahr für ihn. Houdini robbte inzwischen hastig zurück zu seinem Platz. Der Bärtige hörte nicht auf zu schreien, der Regen biss sich in der hilflosen Truppe der verzweifelten Wanderer fest.
     
    Der Mann am Abgrund stand immer noch wie gelähmt vor Angst da. Der Gangster näherte sich ihm lautlos von hinten. Er holte mit der Bison aus und stieß zu. Wortlos. Alle schrien schrill und hysterisch auf. Er rammte der Geisel die Waffe noch ein zweites Mal in den Rücken. Der Mann in der gelbschwarzen Windjacke ging in die Knie, strauchelte, stolperte und ruderte mit den Armen. Dann fiel er. Man hörte durch das Unwetter hindurch den markerschütternden Schrei, der immer leiser wurde und sich schließlich in der Tiefe verlor.
     
    Dann zischte nur noch der Regen.

20

    »Das wird heute nichts mehr. Das duscht sich ein.«
    Sebastian Eidenschink, Schiedsrichter durch und durch, nahm eine Handvoll klebrigen, nassen Sand hoch, ließ ihn durch die Finger quellen und schüttelte den Kopf. »Macht wirklich keinen Sinn. Finito für heute.«
    »Schade«, sagte einer der geschlagenen Windows-User. »Dann macht euch morgen auf eine Revanche gefasst.«
    Nasser Sand ist fies für Beachvolleyballer. Niemand wusste das besser als Tom. Tom hatte ganze Sommer- und Semesterferien von früh bis spät mit Beachvolleyballspielen zugebracht. Das ging nachts, das ging bei größter Hitze, es ging bekifft, es ging auch nüchtern, aber es ging nicht auf nassem Sand. Wenn man zum Schmettern hochsprang, fühlte man sich wie ein Strahl heißer Lava, der aus dem Ätna schießt, aber im Endeffekt kam man über einen kümmerlichen Hopser nicht hinaus.
     
    Die Nachfahren des Abiturjahrgangs 1982 / 83 hatte der plötzliche Regenguss im Freibad ebenso überrascht wie die Geiseln oben auf dem Gipfel. Jetzt spurteten die Jugendlichen zu ihren Badehandtüchern und verstauten ihre lebensnotwendigen Digitalia und Elektronika in wasserdichten Taschen. Motte (persönliches Profil: Hacker, Freak, Nerd) hielt die Nase in den Regen und schnupperte wie ein Neandertaler.
    »Ich glaube, das dauert nicht so lang«, rief er. »Ein paar Tropfen, dann scheint die Sonne wieder. Das spür ich. Kommt von ganz tief.«
    Alle lachten. Auch wenn er hier den wetterfühligen Naturburschen spielte, war Motte in Wirklichkeit der besessenste Computerfreak in der Clique. Er hackte viel und gut, und vor allem: Er hatte sich noch nie dabei erwischen lassen. Er bastelte Computerviren und besserte seine Urlaubskasse auf, indem er kleinere Bankfilialen damit bedrohte. Er brandschatzte digital. Die meisten Fische warf er jedoch wieder ins Wasser.
     
    Der Regen hörte sich jetzt an wie eine gleichmäßig wummernde Percussion-Maschine. Der große Drummer am Horizont rief mit seinem speziellen Solo zum Tanz der Urgewalten. Das Nnpf, nnpf war verstummt, unter dem Fünfmetersprungbrett drängten sich quiekende Achtjährige, ihre

Weitere Kostenlose Bücher