Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
alle rechtzeitig ausweichen. Der Regensburger, der für die Sicherheit aller mitgeführten Kontrakte, Schriften und Aufzeichnungen verantwortlich ist, wirft die kleine Reisetasche auf den Boden und begräbt sie unter sich. Alle Bewaffneten bilden einen schützenden Kreis um ihn. So war es vorher besprochen. Aber gilt der Angriff der Barbaren überhaupt den Dokumenten? Oder eher der großen Schatulle mit Geldmünzen, die sie mit sich führen?
»Herr Graf, so viele waren es noch nie«, ruft Odilo, und Angst schwingt in seiner Stimme mit.
Graf Folkhart von Herbrechtsfeld ist ein besonnener Mann. Aber jetzt ist er wütend. Drei Überfälle innerhalb der letzten Tage! Das kann doch kein Zufall sein. Schon in Rom hatte er ein ungutes Gefühl gehabt. Wegen des vielen Geldes. Aber vor allem wegen des FAVOR CONTRACTUS . Er ist sich sicher, dass es Mächte gibt, die alles daran setzen, dass der Vertrag nicht zustande kommt. Er springt vom Pferd und läuft über die Lichtung, direkt auf denjenigen zu, der den Morgenstern geschleudert hat.
»Aber Herr Graf!«, schreit ihm Odilo nach. »Das geht doch nicht! Bleib da! Das ist doch ein Sauhaufen, der keine Ehre nicht kennt!«
Auch die Regensburger Leibwächter rufen Folkhart entsetzt zu, umzukehren. Doch der Graf beachtet sie nicht. Er sieht keinen Grund, warum er sich nicht in den Kampf einmischen soll. Er ist zwar kein Ritter, wie alle in seiner Familie hat er aber das Schwertfechten gelernt. Da wird er es doch mit ein paar Halunken aufnehmen können. Kaum hat er ein paar Schritte getan, da zischt auch schon ein Pfeil knapp an ihm vorbei. Folkhart kann gerade noch ausweichen, surrend fährt das Geschoss hinter ihm ins Gras. Folkhart zieht das Schwert und läuft auf den großen, langmähnigen Blonden zu.
»Herrschaftszeiten!«, ruft Odilo erschrocken. »Mein Herr hat doch glatt seinen Schild vergessen!«
Odilo nimmt den Schild und rennt los. Einer der Barbaren will ihm in den Weg treten. Doch Odilo, der Bauernbursch aus Germareskauue, ist wendig. Das Bergsteigen, Fingerhakeln und Schuhplatteln haben ihn bärenstark gemacht. Er haut den Barbaren mit seinem Schild um und läuft zu seinem Herrn.
Der langmähnige Blonde hält ein zweihändig zu führendes Langschwert, einen Bihänder, hoch, eine erbeutete Waffe von irgendeinem Schlachtfeld, damit haut er wild um sich. Der Graf sieht sofort, dass dieser Wüstling kein Meister des Schwertkampfes ist. Deshalb ist er zuversichtlich. Er stellt sich in Position, die dem Gegner möglichst wenig Platz zur Attacke bietet. Er bereitet eine ablenkende
Battuta
vor.
»So ein Depp von Herr!«, ruft Odilo wütend für sich. »Wir sind doch hier nicht beim Turnier.«
Er ist jetzt hinter Folkhart angekommen.
»Ich bins«, schreit Odilo. »Herr Fürst, das ist ein Vogelfreier. Dem ist es gleichgültig, ob Ihr ritterlich kämpft.«
Um sie herum versuchen die Regensburger, die Räuber zu überwältigen. Folkhart und Odilo gehen gemeinsam auf den wilden Barbaren los, der Graf mit dem reichverzierten Schwert, das immer schwerer und schwerer wird, sein Diener mit dem Schild, mit dem er dem Riesen die Waffe aus der Hand schlägt. Es kommt zum Nahkampf, der Blonde kratzt, beißt und spuckt, schließlich zieht er einen verrosteten Dolch aus dem schmutzigen Umhang und sticht um sich. Folkhart lässt sein Schwert sinken, es ist ihm zu schwer geworden, die Verzierungen scheinen es nach unten zu ziehen.
»Leck mich fett, jetzt g’hörst der Katz!«, schreit Odilo mit der Wut der Berge, zieht sein altes Brotzeitmesser aus dem Brotzeitmessertascherl seiner Lederhose und geht dem blonden Barbaren damit an die Gurgel. Es kommt zu einem wilden Gerangel, das Brotzeitmesser zerbricht. Schließlich schlägt er ihn mit der Faust kampfunfähig und fesselt ihn.
»Es ist nicht leicht, eine tobende Bestie, die sich an keinerlei Regeln hält, zu besiegen«, sagt Folkhart von Herbrechtsfeld.
»Ja, so wirds sein, Herr«, sagt Odilo und setzt sich erschöpft auf den Boden.
Die Regensburger haben den Rest der Räuberhorde besiegt. Viele sind getötet worden. Der Anführer der Berittenen versucht, die Überlebenden darüber zu befragen, in wessen Auftrag sie den Überfall durchgeführt haben. Sie wissen nichts. Er befragt sie nochmals. Sie wissen wirklich nichts.
»Es könnte aber auch sein«, sagt Folkhart nachdenklich, »dass es die Auftraggeber verstanden haben, im Dunkeln zu bleiben.«
»Mir ist bei den Befragungen aufgefallen«, sagt der Anführer,
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