Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)
angekleidet, hinterher.
»Was is?«
»Da Ochs is auskemma!«
Der Ochse macht sich über den Garten des Metzinger Bauern her, einen gepflegten Bauerngarten mit wunderschön anzuschauenden Blumen und wohlriechenden Kräutern. Der Ochse rennt in südliche Richtung, er kennt keine Grenzsteine und Gemarkungen, er reißt sich durch die frisch gewaschene Wäsche der Haggele Bäuerin, und als es langsam dämmert, da ist der tolle Ochse immer noch unterwegs, er hat auch schon einige Stallungen niedergetrampelt, viele der befreiten Kühe und Stiere folgen dem Ochsen, auch Hunde und halbgezähmte Pferde. Das wilde Heer nähert sich dem Marktplatz von Germareskauue, da wird am Freitag in aller Frühe schon der Wochenmarkt aufgebaut. Der Ochse und mit ihm die ganze zerstörungswütige Schar der Bestien erschnuppern das erntefrische Gemüse des grantigen Tandlers. Niemand wagt sich den Muskelmassen entgegenzustellen. Der Leitochse bäumt sich auf und stampft mit den Vorderhufen den Stand nieder. Er schüttelt den Kopf, und rechts und links fliegen die Kohlrabis nur so davon. Er stampft alles zu Brei. Warum ist der Ochse nur so wütend? Kein Mensch weiß es. Er lässt ab von dem völlig verwüsteten Stand. Am Ende des Markts steht eine Bude, an der Würste feilgeboten werden, feinste
pratwürschter
, verfertigt von Godewin, dem Würschtlmo – der Ochse zerstört auch sie. Als er endlich eingefangen werden kann, liegt der Wochenmarkt in Trümmern.
Odilo sieht in dem Vorkommnis ein Zeichen. Ein Untier ist aufgetaucht und hat ihm mit seinen Hörnern den Weg gewiesen. Das hat etwas zu bedeuten. Nur weg von hier! Odilo kann schließlich auch seinen Herrn von diesem Wink des Schicksals überzeugen. Folkhart entschließt sich, den Ort so schnell als möglich zu verlassen. Doch zuvor muss er die Vertragskopie, die seiner Sicherheit dient, gut verstecken. Es gibt nur eine Person, der er vertrauen kann.
»Wann werden wir die Papiere zum Versteck bringen?«, fragt Odilo.
»Gleich heute, sobald es dunkel ist!«, ruft Folkhart. »Und morgen in aller Frühe ziehen wir weiter.«
Mitten in der Nacht schleichen Folkhart und Odilo hinaus. Sie gehen zunächst in die entgegengesetzte Richtung. Sie schlagen noch ein paar Haken. Sie wollen keine Zeugen. Das Wetter ist günstig, es regnet leicht, es wird keine Spuren geben. Sie haben die Pferde natürlich im Stall gelassen, sie gehen zu Fuß zum Versteck. Sie überqueren die liebliche Loisach ein paarmal, gelangen dann in ein großes, breites Tal. Sie besteigen einen Hügel und sehen schon von weitem die Kapelle und den Friedhof. Sie machen einen großen Bogen um beides, dort wollen sie nicht gesehen werden. Jetzt klettern sie eine steile Wand hinauf, bis sie am Einlass des Geheimgangs angelangt sind. Odilo öffnet das Gitter vor der Heiligentafel, nimmt den FAVOR CONTRACTUS und den wertvollen Estoc und kriecht damit hinein in den engen Gang. Der Kerzenschein erhellt am Ziel einen winzig kleinen, mit Kalkbruchsteinen gemauerten Raum, in dem eine eiserne Schatulle steht. Er kann sie öffnen. Sie ist leer, er legt den Vertrag und die Waffe hinein. Der Mohr hat ihm noch eine Pergamentrolle mitgegeben, die legt er ebenfalls hinein.
»Leck mich fett, ist das gruselig«, sagt Odilo, als er wieder an die frische Nachtluft kommt.
MAX SCHIRMER
Mathepauker, Ziegenproblematiker
Leiter der Theatertruppe ›Die Rampensäue‹
Liebe Schüler Abi 82 / 83 ,
das ist ja schön, dass Ihr mich eingeladen habt zu Eurem Treffen! Ich komme natürlich gerne, vor allem zum Wandern. Ich wollte an dem Tag eigentlich auf die Köglalm gehen, aber ein Ausflug ins Blaue – warum nicht! Ich kann mir natürlich schon denken, wo es hingehen soll. Aber die halbe Strecke mit dem Jeep rauffahren, das ist meine Sache nicht. Ich werde also zu Fuß von der anderen Seite aufsteigen – auf den Spuren des alten Hermann von Barth.
Habt Ihr noch Eure Texte aus
Romeo und Julia
drauf? Den Abstieg könnten wir uns doch mit ein paar herrlichen Dialogen versüßen:
Es war die Nachtigall, und nicht die Lerche …
Hals- und Beinbruch – Euer Max Schirmer
46
Maria Schmalfuß starrte auf die Karikatur an der Wand. Es war eine Karikatur von ihr selbst. Sie konnte sie nur bedingt witzig finden. Aber sie hatte mitgelacht, um sich keine Blöße zu geben. Die Karikatur zeigte ein zehnstöckiges Hochhaus, im obersten Stockwerk sah man das Büro von Jennerwein. Er hockte konzentriert am Schreibtisch, sich die
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