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Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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und vorne nicht. Oder sie sind zumindest total übertrieben.«
     
    »Er ist also den Abgrund hinuntergestoßen worden?«, fragte Nicole Schwattke.
    »Höchstwahrscheinlich«, antwortete Jennerwein. »Hansjochen Becker und sein Team untersuchen gerade Unfallstelle und Gipfel. Aber große Hoffnungen machen sie sich nicht. Es hat geregnet, gehagelt, das SEK -Team hat alle Spuren zertrampelt.«
    »Könnte es sein«, fuhr Nicole fort, »dass die Geiselnahme nur den einen Sinn hatte, Heinz Jakobi zu ermorden?«
    »Ich weiß nicht so recht«, sagte Stengele. »Warum solch einen Aufwand treiben? Da gehe ich doch ganz normal beim Klassentreffen mit, mache die Wanderung auf den Berg, nehme ihn mal kurz beiseite, ein kleiner Schubser, und schon ist der Käse gebissen. Keine Spuren, keine Zeugen, nichts.«
    »Die Aufgabenverteilung sieht so aus«, sagte Jennerwein. »Das SEK und die Bergwacht werden weiter nach dem Flüchtigen suchen, sie geben Bescheid, wenn etwas Auffälliges geschieht. Ostler, Sie halten die Verbindung zu denen und informieren uns. Becker und sein Team arbeiten am Tatort bis zum Einbruch der Dunkelheit. Wer übernimmt dann die Bewachung des Tatorts?«
    »Das wird wohl mein Job sein«, ertönte eine klägliche Stimme aus dem Nebenzimmer.
    »Danke, Hölleisen. Die Befragung der Geiseln starten wir morgen früh gemeinsam. Nicole, Sie fahren ins Krankenhaus, schieben dort Wache und achten darauf, dass alle schön getrennt bleiben. Stengele, Sie gehen Ihrer Treibsandspur nach.«
     
    Alle standen auf und machten sich an die Arbeit. Jennerwein und Maria streiften sich mit Blicken. In einer Stunde hätte ihr gemeinsamer Abend beginnen sollen. Maria seufzte leise. Hätte man ganz genau hingehört, dann hätte man auch einen kleinen Seufzer von Jennerwein vernommen. Jennerwein suchte sich ein leeres Zimmer und setzte sich dort. Er wählte die Nummer von Schimowitz.
    »Kommissar?«
    »Gibts was Neues?«
    »In Bezug auf den Täter nicht. Wir durchkämmen das Gebiet noch immer, aber es ist natürlich sehr groß. Allerdings haben wir unseren vermissten eigenen Mann gefunden. Er lag bewusstlos zwischen den Latschen. Es waren jedoch keine Kampfeinwirkungen zu sehen. Wir haben ihn ins Krankenhaus gebracht.«
    »Na, hoffentlich erfahren Sie bald, was da passiert ist! – Ach, eines noch: Hat einer Ihrer Leute die Tatwaffe, die kleine Bison, sichergestellt und vom Tatort entfernt? Sie war geladen. Und einsatzfähig.«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Danke, Schimowitz.«
     
    Eine verschwundene Tatwaffe. Das hatte Jennerwein gerade noch gefehlt.

47

    Eine Hand streckte sich aus. Keine jähzornige, hart zupackende Hand, die eine angstvolle Geiselgurgel umfasst, um ihr noch mehr Todesangst einzujagen. Keine Hand, die ein Messer umfasst, um hinterrücks zuzustechen. Es war eine zärtlich streichelnde, gütige Hand, die jetzt das flauschige Gefieder des Steinadlerweibchens durchkämmte.
    »Ja, gurr, gurr, Mausi, gurr, gurr, du Gute«, sagte der Leiter der Vogelwarte und beugte sich zu dem majestätischen Tier, das den Kopf schon erwartungsvoll in die Luft reckte und die Flügel ungeduldig lockerte. Es war jedes Jahr dasselbe: Die Bereifung solch großer Vögel musste schnell vonstatten gehen. Der Ornithologe wusste, dass man den Raubvogel am besten durch sonderbar klingende Laute ablenkte.
    »Ja, gurr, gurr, Mausi, du Gute, gurr, gurr«, wiederholte er, und das Steinadlerweibchen blickte starr geradeaus. Es schien den Sinn des Gesagten begreifen zu wollen.
     
    Das dazugehörige, schon beringte Steinadlermännchen schwebte bereits hoch über dem Talkessel in fünfhundert Meter Höhe. Beide waren vor ein paar Jahren ausgewildert worden, beide kehrten in regelmäßigen Abständen wieder zurück zum Ziehvater.
    »Jetzt flieg, Mausi, gurr, gurr, flieg weg, gurr!«
    Dann musste der Leiter der Vogelwarte ein paar Schritte zurücktreten, denn die Flügelspannweite eines solchen ausgewachsenen Prachtexemplars betrug gut zwei Meter. Die Luft erzitterte. Mächtiges Rauschen war zu hören. Rasch erhob sich die königliche Gurrmausi und folgte ihrem Männchen.
     
    Es war August, und das berühmte und oft fotografierte Werdenfelser Steinadlerpärchen, das in den Lüften kreiste, befand sich mitten in Reparaturarbeiten ihrer sieben Horste. Alle waren hoch droben im Fels gebaut. Sie sammelten dazu allerlei Zweige und Geäst. Sie verschmähten auch Rohre und Stangen nicht, verlorengegangene Wanderstöcke oder weggeworfene

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