Fenster zum Tod
zu?«
Rochelle hielt inne und funkelte ihn an. »Nein. Weil du nämlich nur Scheiße redest. Du spinnst komplett.« Sie zwängte sich an ihm vorbei aus dem Schrank, ging zu ihrem Nachttisch, um ihr Handy zu holen und sagte: »Mir wird das hier zu eng mit dir. Ich brauche Platz. Ich bin draußen auf der Terrasse, falls dir dämmern sollte, was für ein blöder Wichser du bist, und du dich entschuldigen willst.«
Sie rauschte aus dem Zimmer. Er ließ sich auf die Bettkante fallen und sah ihr nach. Der Anblick ihres Hinterteils ließ ihn noch immer nicht kalt. Das war das Positive, wenn sie sauer auf ihn war: Er bekam Gelegenheit, ihren Hintern zu bewundern.
»Idiot«, sagte er und meinte damit nicht seine Frau. »Verdammter Vollidot.« Im Grunde seines Herzens wusste er, dass er mit seiner besitzergreifenden Art genau das Gegenteil von dem erreichen würde, was er eigentlich wollte. Er hatte es bei einigen seiner Freunde erlebt. Je mehr sie klammerten, desto weiter entfernten sich ihre Frauen von ihnen.
Zehn, zwanzig Minuten saß er da und überlegte, ob er zu ihr hinausgehen und sich entschuldigen oder einfach das Haus verlassen, in seinen Ferrari steigen und ein paar Stunden durch die Gegend fahren sollte. Nein. Wegfahren vielleicht, aber nur um mit Blumen wiederzukommen oder etwas viel Tollerem. Wie wär’s mit einem Abstecher auf die Magnificent Mile? Heimkommen mit etwas Teurem, Glänzendem. So um die zehntausend vielleicht. Die Rechnung ganz zufällig irgendwo liegen lassen, wo sie sie finden konnte.
Nach einer guten Dreiviertelstunde hatte er sich dazu durchgerungen, seinen Stolz zu überwinden und ihr zu sagen, dass es ihm leidtat. Seinetwegen könne sie sich auch in Zukunft anziehen, wie es ihr passe, allerdings müsse ihr klar sein –
Ding!, machte sein Handy. Das Zeichen für eine eingehende SMS. Er stand auf und holte das Handy. Ein Foto begrüßte ihn, Absender »Rochelle«.
Rochelle hatte ihm ein Foto geschickt.
Ein sehr sonderbares Foto.
Es war das Foto einer Frau – Kyle war nicht nur ziemlich sicher, dass es eine Frau war, er war sich auch ziemlich sicher, dass es seine Frau war. Das rote T-Shirt, die Jeans-Shorts. Ganz sicher war er sich allerdings nicht, denn da war diese Plastiktüte, die sich straff über den Kopf legte. Kinn, Lippen, Nase, Augenbrauen – ein Relief ihrer Gesichtszüge.
Er konnte sie auch nicht komplett sehen, nur bis zu ihren Armen. Da war etwas Silbriges auf ihnen. War das Klebeband? War sie damit an einen Stuhl gefesselt? Terrassenstuhl war es keiner. Denn das war keine Außenaufnahme. War das nicht einer von den Stühlen im Keller?
»Was soll das denn?«, sagte er laut.
Was war das wieder für ein Spielchen?
»Rochelle!«, rief er.
Er war schon auf dem Sprung zur Treppe, da gab das Telefon in seiner Hand neuerlich einen Ton von sich. Keine SMS diesmal. Sondern ein richtiger Anruf.
Wieder von Rochelles Handy.
»Hey«, sagte er. »Was schickst du denn für –«
»Mr. Billings.«
»Hä?« Die Stimme einer Frau. Sie klang allerdings nicht wie Rochelle.
»Mr. Billings, Sie müssen jetzt gut zuhören.«
»Rochelle?«
»Hier ist nicht Rochelle. Und Sie müssen sehr gut zuhören.«
Er lief bereits die Treppe hinunter. Jetzt blieb er wie angewurzelt stehen.
»Ihre Frau kann noch atmen«, sagte die Frau. »Gerade noch. Aber wenn ich die Tüte noch enger zusammenziehe, dann bekommt sie keinen Sauerstoff mehr.«
»Wer zum Teufel sind Sie? Was ist da los, verdammt noch mal? Ich komm jetzt runter –«
»Wenn Sie runterkommen, stirbt sie. Haben Sie verstanden, Kyle? Sie wird sterben.«
Er stand unten an der Treppe, nicht weit von der Haustür. »Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
»Sie müssen zuhören, Kyle«, sagte die Frau ruhig. »Unbedingt. Sonst stirbt Rochelle.«
»Um Gottes willen.« Er spürte, wie seine Knie nachgaben. Mit der freien Hand klammerte er sich an das Treppengeländer.
»Alles wird gut. Sie müssen nur zuhören und genau tun, was man Ihnen sagt.«
»Ich habe Geld«, sagte er schnell. »Ich kann Geld auftreiben.« Und dann fiel es ihm ein. Scheiße, heute ist Sonntag. Aber er würde einen Weg finden. Er wusste, es gab einen. Für jemanden, der so viel Geld hatte wie er, war die Bank auch sonntags geöffnet.
»Es geht nicht um Geld«, sagte die Frau.
»Worum dann? Um die Autos. Wollen Sie die Autos? Nehmen Sie sie. Aber bitte, bitte, tun Sie Rochelle nichts. Sagen Sie mir, was ich tun soll.«
»Ich will nichts, was Ihnen gehört.
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