Fenster zum Tod
»Du weißt genau, dass du alle Blicke auf dich ziehst, wenn du so rumläufst. Du hast alle in Fahrt gebracht. Die Typen, die gestern da waren – denen hing die Zunge regelrecht bis zum Boden. Jeder Einzelne von ihnen hat dich mit seinen Blicken gevögelt.«
Abrupt drehte sie sich um. Barfuß, in Jeans-Shorts und einem roten T-Shirt stand sie da und stemmte die Hände herausfordernd in die Hüften. »Ich kann mir ja eine Burka zulegen, wenn du möchtest. Willst du, dass ich so rumlaufe?«
»Herrgott!«, sagte Kyle. Im Grunde seines Herzens wusste er, wie idiotisch er sich aufführte. Warum war er denn damals so auf Rochelle – Kesterman, bevor sie ihn heiratete – abgefahren? Vor fünf Jahren, bei dieser Software-Messe in San Francisco, als sie auf ihren Bleistiftabsätzen auf der Bühne herumtänzelte und mehr Aufmerksamkeit erregte als die Raffinessen der neuesten und absolut unentbehrlichen Handy-App.
Sie war heute noch genau so ein Hingucker wie damals, mit ihrem schwarzen Haar, das ihr bis zum Po reichte, den langen Beinen und den kleinen, aber keck aufgerichteten Brüsten, die einem direkt in die Augen guckten. Die Farbe ihrer Haut, hellbraun wie Milchkaffee, verlieh ihr etwas Exotisches. Er hatte keine Zeit verschwendet und war nach ihrer Präsentation sofort hinter den Vorhang gegangen, um sie kennenzulernen. Er hatte sie zu einem Drink eingeladen und ganz nebenbei Bemerkungen über seinen beruflichen Erfolg, seinen 911 Turbo und die Eigentumswohnung in Chicago mit Blick auf den Lake Michigan fallenlassen. Und dass sein neues Projekt, mit dem man, bequem zu Hause am Computer sitzend, Städte auf der ganzen Welt würde erforschen können, ihn steinreich machen würde.
Diese Bemerkung gefiel Rochelle ganz besonders.
Fünf Monate später waren sie verheiratet.
Kyle war sich bewusst, dass er nicht der Einzige war, dem sie den Kopf verdrehen konnte. Eine Zeitlang konnte er ganz gut damit leben, dass auch andere Männer sich den Hals nach ihr verrenkten. Wenn sie dann ihn ansahen, schenkte er ihnen dieses Lächeln, das sagte: Gaffen kannst du, so viel du willst, aber derjenige, der diese Vollblutstute heute Nacht reitet, das bin ich.
Und was für Ritte das waren.
Der Sex mit Rochelle war sagenhaft. Sie war phantasievoll und ganz und gar uneigennützig. Und als ob das noch nicht genug wäre, war sie auch noch erstaunlich biegsam. Während ihrer Highschool-Zeit und auch später im College war sie Kunstturnerin gewesen. Das hatte sie inzwischen zwar aufgegeben, machte aber immer noch viermal die Woche Sport und war so gelenkig wie eh und je.
Kyle wusste, dass er unverschämtes Glück hatte. Andere Männer würden morden, um sie zu bekommen.
Doch im Lauf der Zeit hatte seine Reaktion auf die bewundernden Blicke, die seine Frau auf sich zog, sich verändert. Aus Stolz war Eifersucht und Unsicherheit geworden. Wenn sie jeden haben konnte, wie lange würde sie sich mit ihm zufriedengeben? Er hatte Geld. Sie hatten dieses Haus. Sie flogen zwei-, dreimal im Jahr nach Europa, stiegen in den besten Hotels ab. Er hatte ihr für zweihunderttausend Dollar diesen Mercedes mit den Flügeltüren gekauft.
Leider war er nicht der Einzige, der Geld hatte. Wenn das alles war, was sie interessierte – in seiner Branche gab es genügend andere, die über Nacht Millionäre geworden waren. Liebte sie ihn? Oder das Leben, das er ihr bot?
Es gab nicht den geringsten Hinweis, dass es etwas anderes war als Ersteres. Doch das reichte ihm nicht, er quälte sich weiter. War sie nicht vielleicht doch ein wenig zu freizügig? Jetzt hätte er es gern gesehen, wenn sie einen Gang zurückgeschaltet, sich ein wenig gemäßigt hätte. Einen kurzen Rock anziehen? Warum nicht? Aber doch nicht unbedingt einen, der so kurz war, dass jeder ihr Schamhaar-Styling bewundern konnte, wenn sie in ihren Christian Louboutins umknickte.
»Du machst mich wahnsinnig, weißt du«, sagte sie, während sie eine Reihe von Anziehsachen, neunzig Prozent davon schwarz, über die Kleiderstange warf. »Vielleicht habe ich mich ja so angezogen, um dich in Fahrt zu bringen und nicht irgendwen anderen? Hast du schon mal daran gedacht? Verdammt, wo sind diese Hosen?«
»Du sendest Signale aus«, belehrte er sie. »Auch wenn das vielleicht nicht deine Absicht ist, aber glaub mir, bei den Typen kommen sie an.«
Sie nahm einen Bügel von der Stange, inspizierte die Hosen, hängte ihn wieder auf. »Mist, wo sind die denn?«
»Hörst du mir eigentlich
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