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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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gut.« Nicole saß Rochelle gegenüber auf einem Pendant zu deren Stuhl. Auch heute trug sie eine Schirmmütze und eine Sonnenbrille, um ihr Gesicht so gut wie möglich zu verbergen. Ihre Hände steckten in Latexhandschuhen, seit sie das Haus betreten hatte. Die Alarmanlage war kein Problem gewesen. Mit solchen Dingen kannte Nicole sich aus.
    »Er wird tun, was Sie ihm sagen«, sagte Rochelle. »Ganz bestimmt.«
    »Darauf zähle ich.«
    »Wir werden zu niemandem ein Wort sagen. Niemals. Versprechen Sie mir, dass Sie ihm nichts tun.«
    »Ich glaube, dazu besteht kein Anlass.« Nicole hörte ein Geräusch aus dem Telefon und hielt es sich wieder ans Ohr.
    »Ich hol mir Kaffee, Kyle. Magst du auch einen?« Die Stimme eines Kollegen.
    »Nein. Nein danke«, sagte Billings.
    »Weißt du noch, der Jaguar, von dem ich dir erzählt habe? Wir haben gestern eine Probefahrt gemacht. Fährt sich echt gut und hat auch alles Drum und Dran, aber er war rot, und ich finde, in den sechziger Jahren, da hat so ein XKE vielleicht gut ausgesehen, aber heutzutage? Also, da ist mir rot doch irgendwie zu krass. Warst du eigentlich gestern bei diesem Tamtam im Hyatt?«
    »Sehen Sie zu, dass Sie ihn loswerden«, sagte Nicole.
    »Ja. Sind ziemlich spät heimgekommen.«
    »Das war was für die Obdachlosen, stimmt’s?«
    »Ja. Ist ein Haufen Geld zusammengekommen.«
    »Was hast du denn da auf dem Monitor?«
    »Nichts, nur … ich probier gerade was aus. Ich versteh nicht, warum nicht immer alle Nummernschilder und Gesichter ganz verpixelt werden. Hängt vermutlich vom Winkel ab. Wenn die Software nicht erkennt, was es ist, dann wird’s nicht richtig verzerrt.«
    »Muss ich es Ihnen noch mal sagen?«, meldete sich Nicole.
    »Hör mal, ich würd wirklich gern mit dir plaudern, aber ich hab hier noch ’ne Menge zu tun. Aber danke, dass du gefragt hast.«
    »Mach’s gut.«
    »Sowieso.«
    »Ist er weg?«, fragte Nicole.
    »Ja«, flüsterte Kyle. »Die Luft ist rein.«
    Nicole atmete auf. Sie bemerkte, dass Rochelle sie eingehend betrachtete. Schon zum wiederholten Mal.
    »Was ist?« Nicole legte sich das Handy wieder aufs Knie, diesmal mit dem Display nach unten.
    »Es geht mich überhaupt nichts an, was Sie tun. Und warum Sie es tun. Ist mir auch egal«, sagte Rochelle. »Wirklich ganz egal.«
    »Gut.«
    »Deshalb will ich, dass Sie wissen, dass Sie sich keine Sorgen machen müssen, wenn ich’s Ihnen sage. Ich möchte nur … ich will nur, dass Sie’s wissen.«
    Was war das denn für ein Blick, mit dem Rochelle sie ansah? Nicole kannte ihn, hatte ihn aber schon sehr, sehr lange nicht mehr gesehen. Das gute Gefühl, das sie bezüglich des Verlaufs der Dinge gehabt hatte, begann sich zu verflüchtigen.
    »Ich wollte Ihnen nur sagen«, fuhr Rochelle fort, »dass ich Sie toll fand.«
    »Wie bitte?«
    »In Sydney«, sagte Rochelle. »Ich hab mir alle Wettbewerbe angeschaut. Aber vor allem das Turnen.«
    »Tatsächlich«, sagte Nicole.
    »Gleich, als ich Sie gesehen habe, auch mit der Brille, da war was – ich glaube, es ist Ihr Kinn, wie Sie’s halten. Immer wenn Sie auf den unteren Holm gesprungen sind, da haben Sie so eine Bewegung mit dem Kinn gemacht. Danach hatten Sie so einen entschlossenen Ausdruck.«
    »Das hat mir noch nie jemand gesagt. Aber wenn ich jetzt daran denke … ich weiß, was Sie meinen.«
    »Ich habe die ganze Highschool hindurch geturnt, auch noch auf dem College, aber so gut wie Sie war ich nie. Nicht mal annähernd. Ich war Ihr größter Fan.« Rochelle rang sich trotz ihrer misslichen Lage ein bewunderndes Lächeln ab. »Wie gesagt, ich weiß nicht, wie es gekommen ist, dass Sie jetzt tun, was Sie tun, aber ich bin sicher, es gibt immer einen Grund, warum Dinge sich so entwickeln. Jeder geht seinen eigenen Weg, stimmt’s?«
    »Stimmt«, sagte Nicole.
    »Was ich damit sagen wollte: Man hat Sie bestohlen«, fuhr Rochelle fort.
    Plötzlich empfand Nicole ein Gefühl von … was war es? Trauer? Sie empfand Trauer. Große Trauer. Darüber, was ihr in Sydney widerfahren war. Und wegen allem, was danach gekommen war. Bei dem Gedanken, wie ihr Leben hätte verlaufen können, wenn sie Gold gewonnen hätte. Wo sie jetzt sein könnte. Sicher nicht hier, in diesem Keller in Chicago.
    Und da war noch ein Gefühl.
    Rührung.
    »Danke«, sagte Nicole, und sie meinte es auch. »Danke, dass Sie das gesagt haben. Genau dieses Gefühl hatte ich, aber so was sagt man nicht laut, dann glauben nämlich alle, man sei einfach ein

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