Fenster zum Tod
an das FBI. »Die haben Thomas schon auf dem Radar wegen seiner E-Mails an die CIA und Bill Clinton. Angenommen, wir verständigen die Polizei in New York, oder auch nur die hier in Promise Falls. Damit lösen wir garantiert irgendeinen Alarm aus, und das FBI bekommt Wind von der Sache. Und wenn die alle von den Aktivitäten meines Bruders in Kenntnis setzen, wie zum Beispiel seine laufenden Berichte an die CIA über den Stand seiner Gedächtnisübungen, was glaubst du, wie ernst die ihn nehmen werden? Insbesondere, wenn das, was er angeblich gesehen hat, auf einmal nicht mehr zu sehen ist?«
Julie ließ die Schultern hängen. »Mist. Aber es gibt doch nicht nur das, was Thomas gesehen hat. Du hast diesen ersten Ausdruck. Und eine Frau wird vermisst.«
»Oder auch nicht mehr.«
»Ja, aber das lässt sich nachprüfen, Ray. Ich verstehe ja deine Bedenken, und dass die Polizei dich wahrscheinlich nicht ernst nimmt, aber ich sage dir, ich krieg eine Gänsehaut dabei. Ich weiß jedenfalls, was ich tun werde. Ich werde morgen bei Whirl360 anrufen, mich zu dem Typen durchfragen, der dort für die Bildbearbeitung zuständig ist, und mich erkundigen, ob es einen Hackerangriff gab. Oder ob sie das Bild aus irgendwelchen Gründen selbst verändert haben.«
»Und du meinst, ich soll die Polizei anrufen?«
»Ich meine, du sollst die Polizei anrufen.«
Ich gab mich geschlagen. Ich hob die Hände und sagte: »Also gut, ich ruf die Polizei an. Welche?«
»Die in New York.«
»Ich weiß nicht mal, welches Revier da zuständig ist.« Mit Hilfe von Dads Laptop kamen wir zu dem Schluss, es müsste das siebte sein. Ich tippte die auf der Website angegebene Telefonnummer in mein Handy ein. »Also dann«, sagte ich zu Julie, während ich auf die Verbindung wartete.
Jemand hob ab. »Ja, hallo«, sagte ich. »Ich muss mit einem … ich nehme an, ich muss mit jemand von der Kriminalpolizei reden.«
»Ist das ein Notruf, Sir?«
»Nein. Ich meine, es ist wichtig, aber es ist kein Notruf.«
»Einen Moment.«
Ein paar Sekunden später hob wieder jemand ab. Eine barsche männliche Stimme sagte: »Simpkins.«
»Hallo, mein Name ist Ray Kilbride. Ich rufe aus Promise Falls an.«
»Was kann ich für Sie tun, Mr. Kilbride?«
»Also, das klingt jetzt ziemlich verrückt, aber bitte lassen Sie mich ausreden. Es könnte sein, dass mein Bruder Zeuge eines Mordes wurde. Oder etwas in der Art.«
»Wie heißt Ihr Bruder?«
»Thomas Kilbride.«
»Und warum rufen Sie an und nicht er?«
»Ich glaube, es ist ihm lieber, wenn ich das mache.«
»Und warum?«
»Hören Sie, das spielt gar keine Rolle. Und er ist auch nicht der einzige Zeuge.«
»Was für Zeugen gibt es noch. Sind Sie ein Zeuge, Mr. Kilbride?«
»Sozusagen. Es könnte sogar jede Menge Zeugen geben, wissen Sie. Es gibt einen Hinweis auf diesen Mord im Internet. Es gab zumindest einen.«
Schweigen am anderen Ende der Leitung. »Verstehe. Wer wurde ermordet, Mr. Kilbride?«
»Also, ich bin nicht sicher, dass jemand ermordet wurde, aber es sieht so aus, als ob jemand an einem Fenster ermordet würde. Und es könnte eine Frau namens Allison Fitch sein.«
»Haben Sie das vielleicht auf YouTube gesehen, Sir?« Der Ton des Kriminalpolizisten wurde langsam skeptisch.
»Nein, auf Whirl360. Da kann man –«
»Ich weiß, was das ist. Sie wollen mir also sagen, dass Ihr Bruder auf dieser Website einen Mord gesehen hat?«
»Genau. Hören Sie, zuerst dachte ich, er bildet sich das ein, aber –«
»Warum dachten Sie, er bildet sich das ein, Sir?«
»Weil mein Bruder in psychiatrischer Behandlung ist –«
Klick.
Ich sah Julie an.
»Du brauchst mir nichts zu sagen«, sagte sie. »Ich hätte auch aufgelegt. Hättest du dich vielleicht noch ein bisschen trotteliger anstellen können?«
»Ich hab dir doch gesagt, das ist keine gute Idee.«
Julie warf die Hände in die Luft. »Ja, gut, du hattest recht, ich hatte unrecht. Du möchtest dich da raushalten, du möchtest vor allem Thomas da raushalten, wahrscheinlich ist das auch vernünftig. Du bist persönlich in diese Sache nicht verwickelt. Und selbst wenn dich jemand mit diesem Ausdruck in der Hand gesehen hätte, wüsste er nicht, wer du bist.«
»Genau. Ich habe niemandem gesagt, wie ich heiße.«
»Siehst du«, sagte Julie. »Du brauchst dir gar keine Sorgen zu machen.«
Zweiundvierzig
K ann ich noch mal sehen?«, sagte die Frau hinter dem Tresen in dem Laden für Künstlerbedarf in Lower Manhattan.
Lewis Blocker
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