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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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Arbeit.
    In der vergangenen Nacht war nicht viel los gewesen. Nur acht Zimmer hatten sie vermietet, und nur drei davon waren schon wieder leer. Die Leute, die die ganze Nacht hier verbrachten, waren üblicherweise keine Frühaufsteher. Sie amüsierten sich bis in die Puppen mit Alkohol, Drogen und Sex und schliefen dann bis zehn oder elf oder zwölf. Spätestens dann mussten sie das Zimmer verlassen. Wenn sie noch länger schliefen, musste Octavio an die Tür hämmern und sie aus dem Bett holen, denn er wusste, dass sie nicht für eine zweite Nacht bezahlen würden, besonders, wenn sie nicht zum ersten Mal hier waren.
    »Wo soll ich anfangen?«, fragte Allison.
    »Drei, neun und elf sind frei«, sagte Octavio.
    »Ist gut.«
    »Hast du gut geschlafen?«
    »Glaub schon.«
    »Sehr gut«, sagte Octavio. »Ich glaube, heute wird ein sehr schöner Tag. Sie haben keinen Regen vorhergesagt.«
    Allison sagte nichts. Ihr war es gleichgültig, ob es regnete oder nicht. Octavio glaubte, dass es für dieses Kind jeden Tag regnete, auch wenn kein Wölkchen am Himmel zu sehen war.
    »Na schön, dann mach ich mich jetzt mal an die Arbeit«, sagte sie.
    »Frühstück? Du wirst doch irgendwas frühstücken?«
    »Ich hab keinen Hunger.«
    Was für eine bedauernswerte junge Frau. Octavio wollte es ihr sagen, um ein bisschen Sonne in ihr Leben zu bringen.
    Etwa eine Stunde später hatte er sich ein Herz gefasst.
    Er fand sie in Zimmer neun beim Putzen des Badezimmers. Sie kniete vor der Kloschüssel, als er hereinkam.
    »Adele?« Um ein Haar hätte er Allison zu ihr gesagt.
    »Ja?« Sie sah durch die Badezimmertür zu ihm hinaus und blies sich eine Strähne aus dem Gesicht.
    »Ich muss dir was sagen.«
    »Schieß los«, sagte sie und spritzte etwas Reiniger auf den Boden.
    »Nein, du musst mal kurz aufhören.«
    Sie legte die Flasche und den Schwamm aus der Hand und stand auf. Sie kam ins Zimmer und stellte sich neben den Fernseher.
    »Bin ich gefeuert?«, fragte sie. In ihrer Stimme lag keine Trauer. Nur Resignation.
    »Nein, du bist nicht gefeuert. Du bist eine gute Mitarbeiterin. Ich würde dich nie feuern. Obwohl …« Er verstummte. »Es könnte sein, dass du nicht bleiben willst.«
    »Was ist los?«
    »Zuerst möchte ich dir sagen, dass ich bei dem, was ich getan habe, nur dein Bestes im Sinn hatte.«
    »Wovon redest du?«
    »Es macht mir großen Kummer, dass … dass du so traurig bist.«
    »Octavio, was hast du gemacht?«
    Er blickte auf den fleckigen, abgetretenen Teppich. »Gestern Nacht, als du schon geschlafen hast, da bin ich in dein Zimmer gekommen.«
    »Was?« Allisons Augen waren weit aufgerissen. Sie sah ihn vorwurfsvoll an.
    »Es ist nicht, was du denkst!« Octavio hielt seine Hände abwehrend in die Höhe. »Ich war ganz Kavalier. Aber … aber ich habe in deine Handtasche gesehen und –«
    »Du warst an meiner Handtasche?«
    »Jetzt hör mir doch erst mal zu! Ich habe den Brief gefunden. Von deiner Mutter.«
    »O Gott«, sagte Allison.
    »Und ich weiß, dass du in Wirklichkeit nicht Adele Farmer heißt, aber das ist mir egal, ich mache dir deswegen überhaupt keine –«
    »Wie konntest du das tun? Wie konntest du es wagen, in meinen Sachen rumzuschnüffeln?« Ihre Wangen hatten sich gerötet, und ihr Atem ging schneller.
    »Warte! Warte!« Jetzt war Octavio nicht mehr ganz so überzeugt von seiner Idee. Doch jetzt musste er ihr alles beichten. Sie musste es wissen. »Ich hab sie angerufen.«
    Allison starrte ihn an. Blinzelte. »Was?«
    »Ich habe vergangene Nacht deine Mutter angerufen. Ich habe ihr gesagt, dass du hier bist, dass es dir gutgeht. Allison, Allison, bitte, sie war … sie war ganz aus dem Häuschen. Sie war so froh, dass es dir gutgeht, dass du lebst.«
    »Nein«, flüsterte Alison ungläubig.
    »Sie kommt«, sagte Octavio. »Mit dem Flugzeug. Um dich zu besuchen. Sie liebt dich sehr! Sie wird dir helfen! Egal, in was –«
    Allison rannte los. Sie schubste ihn beiseite, war aus dem Zimmer.
    »Es tut mir leid! Es tut mir ja so leid!«, rief Octavio ihr nach.
    Sie wusste nicht, wie viel Zeit sie hatte. Vielleicht, aber nur vielleicht, wurde das Telefon ihrer Mutter nicht abgehört. Aber sie musste damit rechnen, dass es verwanzt war. Und wenn das der Fall war und wenn Octavio letzte Nacht mit ihrer Mutter gesprochen hatte, als sie schon schlief –
    Reichlich Zeit, jemanden nach Florida zu schicken.
    »Nein, nein, nein, nein, nein«, flüsterte sie, während sie zum Büro rannte. Sie würde

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