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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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zurück.«
    »Ich bin da.«
    Ich beendete das Gespräch und ließ das Telefon in der Küche liegen. Auf dem Weg zur Kellertür rief ich: »Herrgott noch mal, Thomas, ich war gerade am Telefon.« Ich ging die Treppe hinunter, konnte ihn aber nirgends sehen. Unser Keller war L-förmig, und wahrscheinlich stand er irgendwo hinter dem Knick.
    »Wo bist du denn, verdammt noch mal?«
    »Hier drüben«, sagte er.
    Ich bog um die Ecke, und da stand er, die Augen vor Angst weit aufgerissen. Seine Arme waren nicht zu sehen, als hätte er die Hände auf dem Rücken verschränkt.
    Und er war nicht allein. Schräg hinter ihm stand eine Frau. Mit der linken Hand hatte sie Thomas an den Haaren gepackt. In der rechten hielt sie etwas, das wie ein Eispick aussah. Sie hielt ihm die Spitze vorne an den Hals, direkt unter dem Kinn.

Fünfundfünfzig
    S ie sind also Ray«, sagte die Frau.
    »Ja«, sagte ich. Ich konnte den Blick nicht von dem Ding in ihrer Hand wenden.
    Sie zog Thomas bei den Haaren. »Und der hier? Thomas? Das ist Ihr Bruder?«
    »Ja.«
    »Niemandem hier passiert was, Ray, wenn Sie keine Dummheiten machen.«
    »Ja, gut«, sagte ich. »Bitte tun Sie ihm nichts.«
    Thomas sah aus, als stehe er draußen in der Kälte. Er zitterte am ganzen Leib. Seine Hände konnte ich nicht sehen, aber ich hätte gewettet, dass auch sie zitterten. In unserem ganzen gemeinsam Leben hatte ich ihn noch nie so verängstigt erlebt.
    »Ray, sag ihr, sie soll mich loslassen!«
    »Kein Angst, Thomas, ich werde ihr geben, was sie will.«
    »Das ist gut«, sagte die Frau. »Solange Sie kooperieren, ist alles bestens.« Mir fiel auf, dass sie eines dieser Bluetooth-Dinger im Ohr hatte, obwohl es in dem schulterlangen, blonden Haar fast nicht zu sehen war. »Du kannst reinkommen«, sagte sie, so, als spräche sie mit ihrer Schulter. »Wir sind im Keller.«
    »Sagen Sie mir doch einfach, was Sie wollen.«
    »Im Moment will ich, dass Sie still sind«, sagte sie. Sie hielt Thomas noch immer bei den Haaren gepackt, die Spitze des Eispicks drückte eine kleine Vertiefung in seinen Hals. »Gleich geht’s weiter.«
    Selbst hier im Keller konnte ich hören, wie ein Wagen sich dem Haus näherte. Ein entferntes Knirschen von Kies, dann das Öffnen und Schließen einer Autotür. Ungefähr dreißig Sekunden später ging die Haustür auf, und gleich darauf hörte ich jemanden hinter mir die Treppe herunterkommen. Ich drehte den Kopf. Der Mann trat in den Lichtkegel der nackten Glühbirne. Er war groß, kahl, untersetzt, seine Nase sah aus, als sei sie irgendwann einmal gebrochen worden.
    Er sah mich an. »Sie sind also Ray Kilbride.«
    »Ja.«
    »Wer ist das?«
    »Das ist der Bruder«, sagte die Frau. »Thomas.«
    »Hallo, Thomas«, sagte der Mann mit ausdrucksloser Stimme. »Ich bin Lewis. Nicole haben Sie ja schon kennengelernt.« Beim Näherkommen entdeckte ich unter seiner ledernen Bomberjacke eine Ausbeulung, die größer war als ein Eispick. Über der Schulter hatte er einen kleinen Rucksack hängen.
    »Es gibt hier zwar nicht viel zu holen, aber bitte bedienen Sie sich«, sagte ich.
    »Nicht meinen Computer!«, platzte Thomas heraus.
    Lewis neigte den Kopf ein wenig, um mir in die Augen sehen zu können. »Sie glauben also, das ist ein Raubüberfall?«
    »Meinen Computer bekommen Sie nicht«, wiederholte Thomas. »Sie können den von meinem Vater haben.«
    »Was wollen Sie sonst von uns?«, fragte ich.
    »Ich will, dass Sie die Hände auf den Rücken legen«, sagte Lewis. Er öffnete den Reißverschluss des Rucksacks und holte Doppelkabelbinder heraus, wie die Bereitschaftspolizei sie bei Einsätzen gegen Demonstranten als Handschellen verwendete.
    »Bitte«, sagte ich. »Das ist ein Irrtum.«
    »Wenn ich Sie noch einmal auffordern muss, die Hände auf den Rücken zu legen, wird meine Begleiterin Ihrem Bruder ein bisschen Luft in den Hals lassen.«
    Seine Stimme besaß gelassene Autorität. Wie die eines Polizisten. Sollte er je einer gewesen sein, musste das schon länger her sein.
    Ich legte die Hände auf den Rücken. Er streifte mir die schmalen Plastikreifen über beide Handgelenke und zurrte sie fest. Sie schnitten mir schmerzhaft ins Fleisch. Ich bewegte sofort die Finger und überlegte schon, wie lange es dauern würde, bis sie taub wurden.
    »Alles klar, Lewis?«, fragte die Frau.
    Es beunruhigte mich, dass es ihnen egal war, ob wir ihre Namen erfuhren. Ich versuchte mir einzureden, dass es vielleicht nicht ihre richtigen waren. Aber sehr

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