Fenster zum Tod
beiden gehört? Weil Harry ihm schon alles erzählt hatte und Duckworth jetzt gerade recherchierte? Oder weil Duckworth sich alles angehört und dann gesagt hatte, das sei der größte Schwachsinn, der ihm je untergekommen sei.
Ich sah keinen Grund, warum ich das nicht selbst herausfinden sollte.
Ich schaltete den Fernseher aus, nahm das Laptop und suchte die Polizei von Promise Falls. Ich fand eine Büronummer und wählte.
»Polizei Promise Falls«, sagte eine Frauenstimme.
»Ich hätte gerne mit Detective Duckworth gesprochen.«
»Ich glaube, er ist schon nach Hause gegangen«, sagte sie. »Wer spricht denn?«
»Ray Kilbride.«
»Ich seh mal nach.« Während ich wartete, kam Thomas die Treppe herunter.
»Was machst du?«, fragte ich mit der Hand über der Sprechmuschel.
»Ich geh die Fotoalben suchen«, sagte er und verschwand im Keller.
»Hallo?«, sagte die Frau von der Zentrale. »Mr. Kilbride?«
»Ja?«
»Ich habe Detective Duckworth zu Hause erreicht. Bleiben Sie dran, ich verbinde Sie.« Es gab eine Pause, dann sagte jemand: »Ja, bitte?«
»Hallo? Detective Duckworth?«
» Wer spricht da? Sie haben gesagt, Sie heißen Kilbride?«
»Genau.«
»Soll das ein Witz sein? Doch nicht Adam Kilbride?«
»Nein, Sir. Ich bin sein Sohn.«
»Welcher Sohn?«
»Ray.«
»Ah ja. Sie sind der aus … wo wohnen Sie noch mal? Irgendwo in Vermont, oder?«
»Burlington.«
»Und Thomas, das ist Ihr Bruder?«
»Ja.« Ich nahm an, er wusste das alles von Harry Peyton.
»Verzeihen Sie mir wegen eben«, sagte er. »Mich hat’s nur fast umgehauen, als die Zentrale mich anrief und sagte, Mr. Kilbride wolle mich sprechen. Das mit Ihrem Dad tut mir leid.«
»Ja, danke. Und danke, dass Sie Zeit für mich haben. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Ich stecke hier in einem ziemlichen Schlamassel, wie Sie vielleicht wissen.«
»Ja, Ihr Vater und ich, wir haben schon darüber gesprochen«, sagte Duckworth.
Ich hatte das Gefühl, als habe jemand meinen Kopf in einen Farbmischer gesteckt. »Wie bitte?«, fragte ich. »Wann war denn das?«
»Vor zwei Wochen oder so«, sagte Duckworth.
Aus dem Keller schrie Thomas: »Ray!«
»Mein Vater hat vor zwei Wochen mit Ihnen gesprochen?«, fragte ich.
»Genau. Ist das nicht der Grund Ihres Anrufs?«
»Nein – ich meine, ja. Ich wollte nur mal nachfragen.«
»Ich habe Ihrem Vater gesagt, wenn er gerichtlich vorgehen will, würde es ziemlich schwierig werden, etwas zu beweisen.«
»Ray!«, rief Thomas wieder.
»Warte einen Moment!«, rief ich zurück. »Entschuldigen Sie. Mein Bruder sucht etwas im Keller. Sie sagten gerade, es würde schwierig, etwas zu beweisen.«
»Nach so langer Zeit. Und die Aussage Ihres Bruders wäre auch nicht ganz unproblematisch, das werden Sie sicher verstehen. Ihr Vater war sich dessen bewusst. Außerdem war er sich nicht wirklich sicher, ob er Ihrem Bruder das zumuten wollte. Netter Mann, Ihr Vater. Ich habe zwar nur dieses eine Mal mit ihm gesprochen, aber er scheint mir ein anständiger Kerl gewesen zu sein, ein guter Vater. Der es bestimmt nicht einfach hatte.«
»Detective Duckworth, Sie werden es nicht glauben, aber mir dämmert erst jetzt, wovon Sie eigentlich reden«, sagte ich. »Mein Bruder wurde missbraucht, stimmt’s?«
»Ihr Vater hat Ihnen nichts davon gesagt?«
»Nein. Aber seit ich hier bin, seit Dad tot ist, habe ich einiges gehört, und ich frage mich, was da eigentlich los ist. Es betraf meinen Bruder, und es war so schlimm, dass mein Vater sich Sorgen machte, Thomas würde es ihm vielleicht nie verzeihen. Und …« Ich überlegte, ob ich auch damit noch anfangen sollte, aber dann tat ich es einfach. »Mein Vater hatte auf dem Computer über Kinderprostitution recherchiert, aber ich weiß nicht, welche Seiten er sich dann tatsächlich angesehen hat. Mein Bruder hat die Chronik gelöscht, bevor ich es herausfinden konnte.«
»Ja, also … das passt schon ins Bild«, sagte Duckworth. »Ich weiß nicht, ob ich überhaupt mit Ihnen darüber sprechen soll, Ray, und, ehrlich gesagt, es gibt da eine ziemlich wichtige Information, die Ihr Vater mir vorenthalten hat. Nämlich wer –«
»Ray!«
»Herrgott«, murmelte ich. »Haben Sie vielleicht eine Nummer, unter der ich Sie zurückrufen kann? In ein paar Minuten? Ich muss wirklich dringend mit Ihnen reden.«
»Klar.«
Ich holte mir einen Stift aus einer Küchenschublade und kritzelte die Nummer auf einen Schmierblock. »Ich rufe Sie gleich wieder
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