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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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Dinge nicht sprechen. Die haben aber mit meiner Aufgabe gar nichts zu tun.«
    Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Möchtest du mit Dr. Grigorin darüber reden? Morgen vielleicht? Ich könnte versuchen, kurzfristig einen Termin zu bekommen.«
    »Das wär nicht schlecht«, sagte er. »Ich mag nicht, wenn der Präsident sagt, ich stehe als Schwächling da.«
    »Als Schwächling?«
    »Na, weil ich zum Beispiel über bestimmte Sachen rede, und das ist nicht gut für mich. Nicht mal dir darf ich davon erzählen.«
    »Was erzählen?«
    »Von damals, als ich an dem Fenster stand. Als ich dir zuwinkte, und du mich nicht gesehen hast. Weil du nicht nach oben geschaut hast.«
    Wir standen nebeneinander an die Arbeitsplatte gelehnt. »Wann war das, Thomas?«
    »An dem Tag, an dem du mich gesucht hast. Wo du mein Fahrrad in dieser Seitengasse gefunden hast. Erinnerst du dich?«
    »Ja«, sagte ich. »Ich bin die ganze Stadt abgeradelt. Ich hab sogar nach dir gerufen.«
    »Ich hab dich gehört«, sagte Thomas leise. »Da konnte ich mich losreißen und zum Fenster laufen. Ich wollte dich rufen, aber ich wusste, das würde ihn wütend machen. Aber wenn du mich gesehen hättest, dann hätte Dad mir geglaubt.«
    »Dich losreißen? Thomas, was war da los?«
    »Er hat mir weh getan«, sagte er. Er fasste sich kurz an den Hosenboden. »Hier hinten.«
    Ich legte Thomas beide Hände auf die Schultern und drückte sie. »Erzähl mir, was passiert ist. Jemand hat dir was getan? Wer? Wer hat dir weh getan?«
    »Dad hat sich so aufgeregt«, sagte Thomas. »Er ist so wütend geworden, als ich es ihm erzählt hab. Er hat gesagt, ich soll aufhören, Sachen zu erfinden. Er hat gesagt, wenn ich noch einmal darüber rede, dann wüsste er nicht, was er täte. Aber ich wusste, es wäre etwas ganz Schlimmes. Vielleicht würden er und Mom mich weggeben. Und darum hab ich nie darüber geredet.«
    Ich umarmte ihn. »Thomas, es tut mir ja so leid.«
    »Und ich glaube … ich glaube, ich kann jetzt darüber reden. Aber der Präsident sagt, ich darf nicht. Er sagt, wenn ich es irgendjemandem erzähle, passiert was Schlimmes.«
    »Würdest du’s Dr. Grigorin erzählen?«
    »Ich wollte, aber dann hab ich’s doch nicht getan. Weißt du, wem ich’s erzählen würde?«
    »Wem?«
    »Julie.«
    »Julie würdest du’s erzählen?«
    Er nickte. »Sie ist nett zu mir. Sie redet mit mir wie mit einem ganz normalen Menschen.«
    »Gut, sie kommt heute Abend noch mal vorbei, ziemlich spät zwar, aber ich bin sicher, sie wird mit dir reden.«
    »Kommt sie wieder, damit sie mit dir Sex haben kann?«, fragte er.
    »Erst mal nicht, würde ich sagen.« Ich musste lächeln. »Ich glaube, es wäre gut, wenn du mit ihr redest. Wirklich. Darf ich dabei sein, oder möchtest du lieber mit ihr allein reden?«
    Er überlegte. »Sie würde es dir später sowieso erzählen, oder?«
    »Wenn du sie bittest, es nicht zu tun, dann glaube ich nicht, dass sie’s tun würde.«
    Er sah zu Boden. Überlegte wieder. »Ich hätte nichts dagegen, wenn du dabei wärst.«
    »Gut. Aber es wird noch eine Weile dauern, bis sie kommt. Möchtest du fernsehen oder so?«
    »Nein. Ich muss wieder an die Arbeit. Auch wenn ich nicht mag, wie der Präsident in letzter Zeit zu mir ist, meine Arbeit muss ich trotzdem machen.«
    »Klar.«
    »Aber bevor Julie kommt, möchte ich ein paar Bilder holen, um sie ihr zu zeigen.«
    »Was für Bilder?«
    »Unsere Fotoalben. Damit sie weiß, wie ich früher ausgesehen habe. Und wie du ausgesehen hast. Sie sind im Keller.«
    »Wenn du willst. Du weißt, wo sie sind?«
    Er nickte, dann ging er hinauf in sein Zimmer. Ich setzte mich auf die Veranda. Fast eine halbe Stunde blieb ich da, bis es so dunkel war, dass man die Sterne sehen konnte. Schließlich ging ich hinein und hockte mich vor die Glotze. Ich zappte mich durch alle Kanäle, aber nichts konnte meine Aufmerksamkeit fesseln. Kein Wunder. Ich hatte andere Dinge im Kopf. Ich dachte an Julie. An meinen Vater. An Len Prentice.
    An ein Gesicht am Fenster und zwei Tote in Chicago. Und an die verstorbene Allison Fitch.
    Daran, dass ich mich mit solchen Dingen nicht beschäftigen müsste, wenn mein Bruder ein anderes Hobby hätte. Briefmarkensammler wurden nie Zeugen eines möglichen Mordes. Wenigstens soweit ich wusste. Gartenliebhaber und Bastler wahrscheinlich auch nicht.
    Ich hätte gerne gewusst, ob Harry Peyton schon mit diesem Duckworth gesprochen hatte. Barry Duckworth. Warum hatte ich noch von keinem der

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