Fenster zum Tod
wahrscheinlich war das nicht.
»Ja«, sagte er. Da nahm die Frau den Eispick von Thomas’ Gurgel und ließ seine Haare los. Sie schubste ihn in meine Richtung.
»Ich habe Angst, Ray«, sagte er. Er hatte sich ein wenig gedreht, und ich sah, dass seine Hände wie meine gefesselt waren.
»Ich weiß«, sagte ich. »Ich auch.«
»Nehmen wir sie beide mit?«, fragte Nicole Lewis.
»Gute Frage«, antwortete er. »Darüber muss ich erst nachdenken. Ich mach eine Runde durchs Haus und schau mal, ob womöglich noch jemand ist.«
Er ging wieder nach oben und ließ Thomas und mich mit Nicole allein.
»Hören Sie«, sagte ich, »wir sind –«
»Halten Sie den Mund.«
Zwei Minuten später war Lewis wieder da. Ratlosigkeit spiegelte sich in seiner Miene.
»Was soll die Deko im Obergeschoss?«, fragte er.
»Die Landkarten?«, fragte ich zurück.
»Ja. Und der Computer.«
»Die gehören mir«, sagte Thomas. »Sie haben sie hoffentlich nicht angefasst.«
»Ich denke, wir müssen die Party nach oben verlegen«, sagte Lewis.
Ich nickte. Ich stupste Thomas mit der Schulter an. »Gehen wir«, sagte ich. »Wir tun, was sie sagen, dann haben wir Ruhe.« Ich wusste nicht, was ich hätte tun sollen, außer lügen.
Thomas ging hinter Lewis die Treppen hoch, Nicole folgte mir. Thomas und ich sehr vorsichtig, weil wir uns nicht am Geländer festhalten konnten. Ich dachte daran, mich schnell umzudrehen und der Frau ordentlich ins Gesicht zu treten. Hätten wir’s nur mit ihr zu tun gehabt, hätte ich’s vielleicht auch versucht. Aber dann wäre da noch immer Lewis, und wenn diese Ausbuchtung in seiner Jacke eine Pistole war, wie ich vermutete, dann würde er kurzen Prozess mit uns beiden machen.
Nicole, die im Gegensatz zu Lewis den ersten Stock noch nicht gesehen hatte, sah sich verwundert um. Ein Flur, vollständig behängt mit Landkarten. Südamerika, Australien, Indien, aber auch detaillierte Stadtpläne von San Francisco, Kapstadt, Denver. Und das auf einer Länge von kaum mehr als einem halben Meter.
»Es kommt noch besser«, sagte Lewis und stieß die Tür zu Thomas’ Zimmer auf.
Nicole ging als Erste hinein. Wortlos betrachtete sie die auch hier von oben bis unten mit Karten tapezierten Wände. Sie schien wie gebannt. Einmal streckte sie die Hand aus. Vor ihr hing eine Karte von Australien. Beinahe träumerisch berührte ihr Zeigefinger Sydney.
»Und schau dir das an«, sagte Lewis zu ihr. Er deutete auf die Computerbildschirme. Alle drei zeigten dieselbe Straße, jeder allerdings aus einem anderen Blickwinkel. »Wo ist das?«, fragte er mich.
»Keine Ahnung.«
»Lissabon«, sagte Thomas.
»Lissabon«, wiederholte Lewis. »Das ist Whirl360, stimmt’s?«
Thomas nickte.
»Wessen Computer ist das?«
»Meiner«, sagte Thomas.
»Warum schauen Sie sich Lissabon an?«
»Ich schau mir alles an«, antwortete Thomas.
»Was meinen Sie mit alles?«
»Er meint alles«, sagte ich. »Er schaut sich Städte auf der ganzen Welt an.«
»Warum?«
»Das ist sein Hobby.«
Thomas sah mich scharf an. Offensichtlich fragte er sich, warum ich log. Dann sagte er zu Lewis: »Sie wissen es schon, nicht wahr?«
»Wie bitte?«
»Dass die Karten verschwinden werden, und ich den Leuten bei den Black Ops helfen werde.«
»Was ist das denn für’n Scheiß?«, fragte Nicole.
»Sie sind die Bösen«, sagte Thomas, als wären wir alle Kinder, die Räuber und Gendarm spielten.
Lewis grinste. »Kann schon sein. Dann will ich euch Jungs jetzt eins fragen: Wer von euch beiden hat sich die Orchard Street angeschaut?« Er sah mich an. »Ich dachte, Sie wären das gewesen, weil Sie an die Wohnungstür geklopft haben.«
Ich fröstelte. Langsam wurde mir klar, wie tief wir in der Patsche saßen.
»Die Nachbarin«, sagte ich.
Lewis schüttelte den Kopf. »Kamera mit Bewegungsmelder.«
Jetzt wussten wir’s. »Oh«, sagte ich.
»Hab ein Foto von dem, was Sie in der Hand halten.«
»Oh«, sagte ich noch einmal.
»Also, wer war’s?«
»Ich hab’s gefunden«, sagte Thomas mit einem Anflug von Stolz in der Stimme. »Ich hab die Frau mit der Tüte auf dem Kopf entdeckt. Ray ist für mich hingefahren, um sich’s vor Ort anzusehen.«
Lewis sah Nicole an und sagte: »Tja, ich glaube, damit ist deine Frage beantwortet.« Fragend zog sie die Augenbrauen hoch. »Ob wir einen oder beide mitnehmen«, fügte er hinzu.
Sechsundfünfzig
U nd was wir auch mitnehmen sollten, ist der hier«, sagte Nicole und deutete auf den Computer, der mit
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