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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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berechnet hatte.
    »Fahren Sie zu der markierten Route«, forderte uns der Bordcomputer auf.
    »Das ist Maria«, sagte ich auf dem Weg hinunter zur Straße.
    »Was?«
    »So nenn ich die Dame in meinem Armaturenbrett. Maria.«
    »Aha«, sagte Thomas. »Warum Maria?«
    »Weiß ich auch nicht. Ich finde einfach, sie klingt wie eine Maria. Gretchen oder Heidi oder sonst was, was irgendwie deutsch klingt, würde vielleicht besser passen, aber mir gefällt Maria.«
    Ich fuhr auf die Zufahrtsstraße hinaus und schlug dann die Richtung zur Schnellstraße ein. Die ganze Zeit sah Thomas wie gebannt auf den Bildschirm. Er konnte den Blick nicht von der digitalen Karte wenden. »Wir fahren gerade an Miller’s Lane vorbei«, sagte er.
    »Das könntest du auch sehen, wenn du aus dem Fenster schaust«, bemerkte ich. »Ich möchte dich was fragen.«
    »Was denn?«
    »Wie das war, als du Dad gefunden hast? Macht es dir was aus, darüber zu reden?«
    »Diese rote Linie da«, sagte er und zeigte darauf, »ist das die Route, die das Navi uns empfiehlt?«
    »Genau. Hast du was dagegen, wenn ich dich das frage? Wie du Dad gefunden hast?«
    »Was willst du denn wissen?«
    »Bevor oder nachdem du den Traktor hochgestemmt hast, hast du da irgendwelche Hebel oder Knöpfe gedrückt?«
    »Wie meinst du das?«
    »Na, hast du zum Beispiel den Zündschlüssel auf AUS gedreht oder das Mähwerk raufgeklappt.«
    »Nein. Ich weiß ja nicht mal, wie man das Ding fährt. Dad hat’s mich nie probieren lassen. Dieser Computer hat eine Macke.« Er hatte das Navi während unseres Gesprächs nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen.
    »Dann hast du also nichts angerührt«, fragte ich noch einmal. »Am Traktor?«
    »Nein.«
    »Und dann, als der Krankenwagen kam und die Polizei. Hat jemand von den Sanitätern was dran gemacht?«
    »Die haben sich nur um Dad gekümmert. Und die Polizei hab ich gar nicht gesehen, aber ich war auch nicht die ganze Zeit da. Vielleicht sind sie ja später gekommen.«
    »Aber er wurde die ganze Woche nicht vom Fleck bewegt«, sagte ich. »Er stand die ganze Zeit da unten am Bach.«
    »Hast du gehört, was ich gesagt habe?«, fragte Thomas.
    »Was denn?«
    »Der Kasten hat eine Macke.« Er starrte noch immer auf den Bildschirm.
    »Wie, eine Macke?«
    »Die Route. Die ist nicht richtig.«
    »Nach dreihundert Metern bitte rechts abbiegen.«
    »Maria hat eine Macke«, sagte Thomas.
    »Tatsächlich?«
    »Sie zeigt dir eine falsche Route an. Es gibt einen schnelleren Weg.«
    »Das macht sie manchmal. Sie hält sich lieber an die Hauptstraßen. Und die ganz neuen Straßen kennt sie oft gar nicht. Mach dir keine Gedanken. Du musst dir Maria als Ratgeberin vorstellen. Du kannst ihren Rat befolgen oder auch nicht.«
    »Sie sollte aber keine Ratschläge geben, wenn sie sich nicht auskennt.« Er machte sich an den Knöpfen zu schaffen. »Wie sagt man ihr, dass sie sich irrt?«
    »Ich glaube nicht –«
    »Nach einhundert Metern bitte rechts abbiegen.«
    »Nein!«, schrie Thomas den Bildschirm an. »Wenn wir so fahren, wie sie das vorschlägt, dann müssen wir die Saratoga Street langfahren. Ich will nicht die Saratoga Street langfahren.«
    »Was macht das denn für einen Unterschied?«
    »Da will ich nicht fahren!« Panik schlich sich in seine Stimme.
    »Dann sag mir doch, wie du fahren willst«, forderte ich ihn auf. »Wir können Maria sagen, sie kann uns mal.«
    Thomas sagte, er wolle über die Main Street in die Stadt hineinfahren, nicht über die Saratoga. Ich hatte nichts dagegen, denn die beiden Strecken waren in etwa gleich lang. Wir überquerten die Saratoga, und Maria beschwor mich, umzudrehen, doch ich ignorierte sie und behielt die Richtung bei. Da berechnete sie die Route neu, wollte uns letztendlich aber trotzdem wieder zur Saratoga Street zurücklotsen.
    »Halt die Klappe«, sagte Thomas zu ihr.
    »Nach dreihundert Metern bitte links abbiegen«, sagte Maria.
    »Das ist doch nicht zu glauben«, schimpfte Thomas. Er geriet in immer größere Erregung. »Mach, dass sie aufhört. Mach, dass sie zu reden aufhört.« Er schlug mit der Hand oben auf das Armaturenbrett, so wie mein Vater vor Jahren den Fernseher kurierte, wenn das Bild zu flackern anfing.
    »Lösch einfach die Route«, sagte ich. »Mit dem Knopf da.«
    Thomas, dem das Eingeben der Daten so flink von der Hand gegangen war, kam völlig aus dem Konzept, als er seinen Befehl rückgängig machen sollte.
    »Jetzt rechts abbiegen.«
    »Nein!«, schrie Thomas die

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