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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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ihn aufpasst. Ich könnte Ihnen da was empfehlen, das Sie sich vielleicht ansehen möchten.«
    »Glauben Sie, er würde da hinziehen?«
    Sie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Ich glaube, wenn Sie ihn Schritt für Schritt darauf vorbereiten, würde er es tun. Er könnte seinen Computer behalten. Und auch seinem … Hobby könnte er weiter nachgehen. Aber ganz wichtig ist, dass er mehr aus dem Haus kommt. Machen Sie ein Picknick mit ihm. Gehen Sie mit ihm ins Kino. In den Supermarkt. In ein Einkaufszentrum. Je häufiger er aus seinem Zimmer rauskommt, desto weniger wird es ihm etwas ausmachen, desto leichter wird es sein, ihn an eine neue Umgebung zu gewöhnen. Ich nehme nicht an, dass Sie in das Haus Ihres Vaters zurückziehen und Ihren Bruder rund um die Uhr betreuen wollen.«
    »Ich will … ich möchte nicht, dass Sie denken, es ist mir egal, was aus ihm wird.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Aber keineswegs. Ich bin mir nämlich gar nicht mal sicher, ob das das Beste für ihn wäre. Er muss selbständiger werden. Ihr Vater hat es gut gemeint, aber er hat zugelassen, dass Thomas völlig von ihm abhängig wurde. Er hat ihm alles abgenommen. In mancher Hinsicht hat er es Ihrem Bruder erst ermöglicht, seinen Zwang auszuleben. Zum Beispiel dadurch, dass er ihn von jeder Verantwortung entbunden hat.«
    »Dad hat sich wahrscheinlich gedacht, es ist einfacher, alles selbst zu machen. Haben Sie den Eindruck, dass es Thomas schlechter geht? Nach dem Tod unseres Vaters?«
    »Ich kann das so schlecht beurteilen. Ich habe ihn gefragt, ob er noch immer die Stimmen hört – die ja oft mit Schizophrenie einhergehen –, und er sagte, ja, manchmal. Er spricht mit dem früheren Präsidenten Bill Clinton, das ist sein Verbindungsmann zur CIA. Die Tabletten bewirken, dass Thomas die Stimmen als kaum mehr als ein Flüstern wahrnimmt, und ich will die Dosis nicht erhöhen. Er nimmt seine Tabletten doch täglich? Haben Sie gesehen, dass er sie nimmt? Olanzapin?«
    »Ja.«
    »Eine höhere Dosis würde ihn apathisch machen. Sie könnte auch Schwindel verursachen, Gewichtszunahme, Mundtrockenheit, alles Mögliche, was ihm nicht gefallen würde. Worauf es ankommt, ist, die richtige Balance zu finden. Mit Ihrer Unterstützung wird es uns auch in Zukunft gelingen, die Situation unter Kontrolle zu halten.«
    »Gestern hat ihn ein läppischer Verkehrsunfall, auf den er in Boston gestoßen zu sein glaubte, in höchste Aufregung versetzt. Er wollte, dass ich was unternehme, einen unbekannten Autofahrer ausfindig mache, dem ein anderer, wahrscheinlich schon vor Monaten, beim Parken einen Scheinwerfer zerdeppert hat.«
    »Sie müssen Geduld haben«, sagte Dr. Grigorin. »Man lässt sich so leicht entmutigen. Alles in allem glaube ich, dass der Zustand Ihres Bruders nicht besorgniserregend ist. Ja, er hat so seine Schwierigkeiten, und es gibt auch einige, über die er nicht mit mir reden will, aber –«
    »Schwierigkeiten? Welche denn? Worüber will er nicht reden?«
    »Tja, wenn er darüber reden würde, dann wüsste ich ja Bescheid«, sagte sie. »Ich weiß, da gibt es etwas in seiner Kindheit, das ihn sehr belastet, aber er schweigt sich darüber aus.«
    Mir fiel die unselige Autofahrt ein, bei der Thomas sich den Kopf am Fenster blutig geschlagen hatte. Ich erzählte ihr diese Episode und fragte, ob sie davon gehört hätte.
    »Ich weiß Bescheid«, sagte sie, also konnte es das nicht sein.
    »Es ist wirklich ein Glück, dass Thomas so große Stücke auf Sie hält. Er hat mir mal Illustrationen von Ihnen gezeigt, die er aus Zeitschriften ausgeschnitten hatte.«
    »Das ist mir neu.«
    »Ich glaube, er hat Sie immer um Ihr Talent beneidet, darum, dass Sie imstande sind, ein Bild, das Sie im Kopf haben, zu Papier zu bringen.«
    »Nicht viel anders als er mit seinen Landkarten«, sagte ich.
    »Sie haben ähnliche Begabungen, die sich jedoch auf verschiedene Art manifestieren.«
    »Haben Sie auch mit meinem Vater gesprochen, wenn er Thomas herbrachte?«
    »Ja.«
    »Was für einen Eindruck hat er auf Sie gemacht?«
    »Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Ich weiß es nicht genau. Bei meinem Gespräch mit Harry Peyton, dem Anwalt, der sich um den Nachlass kümmert und auch mit meinem Vater befreundet war, kam mir in den Sinn, dass Dad möglicherweise depressiv war.«
    »Ob er eine klinische Depression hatte, dazu kann ich nichts sagen«, meinte die Ärztin. »Er war nie mein Patient. Aber er wirkte … matt. Ich glaube, sich allein um

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