Fenster zum Tod
auf den Arm, damit er nicht gleich wieder vom Tisch aufsprang und nach oben rannte.
»Ich muss jetzt wirklich wieder«, sagte er.
»Ich muss etwas mit dir besprechen.« Ich zog meine Hand zurück. Jetzt hatte ich das Gefühl, dass er mir jeden Moment entwischen konnte.
»Was willst du besprechen?«
»Du hast Dads Laptop von der Veranda hereingebracht.«
Er nickte. »Sonst hätte es doch jemand mitnehmen können.«
»Was hast du damit gemacht?«
»Ich hab es in die Küche gestellt.«
»Ich meine, hast du irgendwas an dem Laptop gemacht?«
Er nickte. »Ich hab’s ausgeschaltet. Bis du wieder da gewesen wärst, hätte der Akku längst leer sein können.«
»Hast du sonst noch was damit gemacht?«
»Wie zum Beispiel?«
»Mit der Chronik vielleicht?«
»Die hab ich gelöscht«, sagte Thomas.
»Ach so?«
Er nickte.
»Und warum?«
»Das mach ich immer«, sagte er. »Ich lösche immer die Chronik, bevor ich einen Computer ausschalte. Jeden Abend, bevor ich ins Bett gehe, lösche ich die Chronik auf meinem Computer. Das ist wie, keine Ahnung, wie Zähneputzen oder so was. Damit der Computer am nächsten Tag wieder sauber ist.«
Ich war plötzlich sehr müde.
»Also gut, das machst du mit deinem Computer. Aber warum mit Dads?«
»Weil du weggefahren bist.«
»Hast du auch sonst seine Chronik immer wieder gelöscht?«
»Nein. Dad hat den Computer nämlich immer selbst runtergefahren. Kann ich jetzt gehen? Ich hab da was wirklich Wichtiges auf dem Bildschirm.«
»Das kann warten. Hast du dir die Chronik angeschaut, bevor du sie gelöscht hast?«
Thomas schüttelte den Kopf. »Wieso hätte ich das tun sollen?«
»Thomas«, sagte ich streng. »Ich möchte, dass du jetzt ganz ehrlich bist. Das hier ist nämlich sehr wichtig.«
»Ja, gut.«
»Benutzt du manchmal Dads Laptop?«
Er schüttelt energisch den Kopf. »Nein. Nie. Ich hab doch meinen eigenen Computer.«
»Hat Dad seinen Computer jemals verliehen? Oder hat ihn mal jemand benutzt, der zu Besuch war?«
»Ich glaub nicht. Kann ich jetzt gehen?«
»Noch eine Sekunde.«
»Ich hab schon heute Morgen so viel Zeit verloren. Mit dem blöden Staubsauger.«
»Thomas, bitte. Wenn seit Dads Tod niemand diesen Computer benutzt hat, warum gab es da noch eine Chronik, als ich ihn heute Vormittag angemacht habe? Warum hattest du die nicht gelöscht?«
»Weil Dad sein Laptop immer selbst ausgemacht hat, wenn er fertig war. Ich hab ihm immer wieder gesagt, er soll die Chronik löschen, aber ihm war das nicht so wichtig wie mir.«
Ich lehnte mich zurück. »Gut. Danke.«
»Dann kann ich jetzt gehen?«
Doch er ging nicht. Er blieb sitzen, als sei jetzt er derjenige, der eine Frage hatte.
»Was ist?«
»Ich weiß, du bist noch immer sauer wegen der Sache mit dem FBI. Und ich hab seither auch keine E-Mails mehr an die CIA oder Präsident Clinton geschickt.«
»Gut zu wissen.«
»Aber was ist, wenn ich etwas gesehen habe, das ich ihnen unbedingt sagen muss?«
»Und zwar?«
»Wenn ich etwas gesehen habe, was die CIA wirklich erfahren sollte, ein Verbrechen zum Beispiel, darf ich dann eine E-Mail schicken? Nur eine? Ganz kurze?«
»Thomas, und wenn du gesehen hast, wie jemand eine Atombombe in einen Schulbus gesteckt hat – du schreibst nicht an die CIA!«
Die Enttäuschung auf seinem Gesicht war nicht zu übersehen. »Thomas? Was ist denn jetzt wieder? Noch ein Parkschaden oder was in der Art?«
»Nein, etwas viel Ernsteres.«
»Ganz anders als das, worüber du dich beim letzten Mal so aufgeregt hast. Das war ja völlig bedeutungslos.«
»Aber das jetzt ist was ganz anderes.«
»Nämlich?«
»Es geht um ein Fenster.«
»Ein Fenster.«
»Genau.«
»Jemand hat ein Fenster eingeschlagen, und du willst es der CIA melden?«
Er schüttelte den Kopf. »Es geht um etwas, das hinter einem Fenster passiert. Manchmal passieren nämlich Dinge hinter Fenstern.«
»Thomas, hör zu, was es auch ist, mach dir keine Gedanken deswegen.«
Da stieß er seinen Stuhl zurück und stand auf. »Na gut.« Er marschierte zur Treppe.
»Thomas, ich beschwöre dich, schick keine Mail an die CIA!«
Er blieb stehen, die Hand schon auf dem Geländer. »Du bist der, der nicht zuhört, Ray. Ich bemüh mich, mit dir zu reden. Ich bemüh mich zu tun, worum du mich gebeten hast. Du willst nicht, dass ich die CIA einschalte, also frag ich dich, was ich tun soll wegen dem, was da hinter diesem Fenster passiert, und du hörst mir nicht zu.«
»Ist ja gut. Willst du, dass ich es
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