Ferdinand Graf Zeppelin
zu leisten: ein Teil der Mannschaft ergriff die Haltetaue, andere sorgten dafür, dass die Zuschauer in sichere Entfernung zurückwichen, wieder andere befreiten die beiden Buhnen von Gestrüpp und kleinen Bäumen.
Eine Viertelstunde später waren die Vorbereitungen bereits abgeschlossen.
»Wir sind bereit zum neuen Aufstieg, Exzellenz«, meldete Dürr dem Grafen.
»Gut. Dann also, adieu Hacker. Sie wissen, was Sie nun zu tun haben! Bis morgen dann in Friedrichshafen!«
»Auf Wiedersehen, Exzellenz«, murmelte Hacker und bedachte seinen Kollegen Bernhard Lau beim Herausklettern aus der vorderen Gondel noch mit einem vielsagenden Blick. Darauf stieg er in einen längsseits bereitliegenden kleinen Schleppdampfer, wo schon der Freiherr von Bassus mit einem ähnlich wehmütigen Gesichtsausdruck auf ihn wartete und gab das Kommando zum Vertäuen der vorderen Schleppleine am Heck des Schleppers.
In beiden Gondeln wurden jetzt die Motoren gestartet. Beide Antriebe schienen einwandfrei zu funktionieren, die Monteure nickten zufrieden, so dass der Graf um 22 Uhr 20 an Hacker das vereinbarte Zeichen zum Beginn des Abschleppmanövers geben konnte. Langsam, ganz langsam und vorsichtig setzte sich der Dampfer in Bewegung: das Schleppseil begann sich allmählich zu straffen. Ruhig, beinahe wie auf unsichtbaren Schienen gezogen, verlies »LZ 4« als riesiger Schattenriss seinen Landeplatz zwischen den beiden Buhnen.
Keine zwei Minuten später hatten sie das Luftschiff bereits in die Strommitte bugsiert. »Schleppleine losmachen! Weiterhin die Halteseile fest im Griff behalten«, wies Hacker die Soldaten der Haltemannschaft an. Jetzt musste es schnell gehen! Unmittelbar nach diesem Befehl ertönten auch schon die vertrauten Kommandos: »Hoch!«, »Ballast abwerfen!«, dem Hacker sofort seine Aufforderung an die Soldaten folgen ließ: »Die Leinen los!«
Die Luftschrauben dröhnten laut, die Luft erzitterte, erste Jubelrufe vermischten sich mit dem Motorenlärm: Von 120 Kilogramm Ballast befreit, stieg das Luftschiff um exakt 22 Uhr 22 zunächst beinahe zögernd, dann aber immer rascher in die Höhe.
»Hoch lebe der Luftgraf Zeppelin! Ein Dreifach Hoch! Hoch! Hoch!« Begleitet vom enthusiastischen Jubel der ausgelassen winkenden Menschen stieg »LZ 4« empor. »Da hören Sie nur, Exzellenz! Jetzt singen sie sogar die »Wacht am Rhein«! Ihnen zu Ehren, Exzellenz!« Trotz aller konzentrierten Anspannung, die sie alle in diesen ersten kritischen Minuten des Aufstiegs ergriffen hatte, schlich sich nun auch eine gewisse Rührung in die Herzen der Männer, als das Lied zu Ihnen in die Höhe stieg. Waren es zunächst noch einzelne Stimmen gewesen, die das Lied angestimmt hatten, entwickelte sich daraus in Windeseile ein gewaltiger Chor, der die vertrauten Strophen lauthals in den Nachthimmel schmetterte. »Es braust ein Ruf wie Donnerhall, wie Schwertgeklirr und Wogenprall; zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein! Wer will des Stromes Hüter sein? Lieb Vaterland magst ruhig sein …«
»Was würde in diesem Augenblick besser passen, als dieses Lied«, murmelte Lau und wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel. Längst waren die Menschen da unten mitsamt dem todunglücklichen Georg Hacker von der Dunkelheit völlig verschluckt worden und auch das Luftschiff hoch über ihren Köpfen war von den Sängern nur noch an den Lichtern der Gondeln zu erkennen, die sich wie kleine Zaubersterne am Firmament rasch in nördlicher Richtung von ihnen entfernten.
»Jetzt haben wir 100 Meter Höhe über Grund erreicht«, meldete der Kapitän, der Hackers Position am Höhenmesser eingenommen hatte.
»Verstanden!« gab Ludwig Dürr sofort zurück, dann schoben sie die Drehzahlregler der Motoren vorsichtig auf eine deutlich stärkere Leistung – worauf ein gleichmäßiges, dunkles Brummen zu hören war, das die Gondel leicht vibrieren ließ. Laburda und Schwarz beobachteten den von einer Lampe spärlich beleuchteten, vorderen Motor dabei mit Argusaugen. Kein Ölaustritt. Nirgendwo. Auch keinerlei Störgeräusch war zu hören. Das eindeutige Zeichen, dass sie aufgrund dieser Feststellung zum Kommandostand hinüber gaben, ließ Dürr und Zeppelin vernehmlich aufatmen. Dasselbe Zeichen aus der hinteren Gondel. »Es funktioniert! Sie laufen beide wieder einwandfrei!« Genau wie die beiden anderen im Kommandostand schnaufte jetzt auch Bernhard Lau erleichtert durch. »Sie können jetzt auf noch mehr Leistung gehen, Dürr«, wies Zeppelin
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