Ferdinand Graf Zeppelin
Luftgrafen persönlich ihre Aufwartung zu machen und dem unverhofften Gast zu Ehren seines Besuches eine Flasche vom allerbesten Niersteiner Wein zu überreichen. Gerührt nahm Ferdinand von Zeppelin das Geschenk entgegen und bedankte sich mit warmen Worten bei den freundlichen Leuten aus Rheinhessen. »Zur Feier des Tages werde ich den Inhalt der Flasche zusammen mit meinen Männern gleich einmal genießen!« Rasch wurden die Gläser gefüllt und jeder aus der Luftschiffermannschaft, der wollte, durfte sich den Wein in die Kehle rinnen lassen.
»Wir haben mittlerweile ein zusätzliches Problem bekommen, Exzellenz«, sah sich Oberingenieur Dürr gezwungen, die fröhliche Festtagsstimmung zu stören. »Und zwar wird unsere Auftriebsfähigkeit von Minute zu Minute geringer, da inzwischen die Abendkühle eingesetzt hat. Man sieht es deutlich an den Gaszellen. Dazu kommt, und das ist das eigentlich Bedenkliche, dass unsere Außenhülle allmählich feucht wird. Denn auch die relative Luftfeuchtigkeit nimmt gerade gewaltig zu. Die Feuchtigkeit wird von dem Baumwollstoff beinahe wie ein Schwamm angesogen.«
»Und das bei einem Volumen von immerhin 10.000 Quadratmetern«, machte nun auch Bernhard Lau ein bedenkliches Gesicht. »Wir haben zwar insgesamt 700 Kilogramm an Gewicht reduziert, aber andererseits haben wir zusätzlich 240 Kilogramm Wasserballast neu aufgenommen. Das hätte unter den Ausgangsbedingungen am Nachmittag ausgereicht, aber jetzt stellt sich die Lage völlig anders dar: wir müssen mindestens um weitere 500 Kilogramm reduzieren, sonst können wir nicht gefahrlos aufsteigen.«
»500 Kilo!« entfuhr es Hacker. »Woher sollen wir die denn nehmen? Ich wüsste nicht, was wir sonst noch dalassen könnten!«
»Das ist in der Tat so«, bestätigte Dürr. »Alles was wir da lassen können, ist längst an Land gebracht. Wir können nur noch auf einem einzigen Weg weiteres Gewicht einsparen …«
»… und der wäre?« erkundigte sich Bassus, der sich freilich schon denken konnte, worauf es hinaus lief.
»Indem wir fünf Mann von der Besatzung zurücklassen. Das ist, so leid es mit tut, unsere einzige Möglichkeit.«
»Und Sie haben sicherlich auch schon eine Entscheidung getroffen, von wem Sie sich verabschieden wollen?«
»Ja, das habe ich in der Tat.« Dürr zuckte bedauernd die Schultern, dann blickte er ernst in die Runde. »Ich bin der Meinung, wir könnten auf drei Monteure verzichten, dazu den Freiherrn von Bassus und einen der beiden Kapitäne, meine Wahl ist dabei auf Hacker gefallen …«
»Was?! Wieso denn ich!« Georg Hacker konnte sein Unglück nicht fassen. »Wieso ausgerechnet ich?!«
»Sie haben im Gegensatz zu Lau eine Familie …«
»… die hatte ich auch bisher schon«, konterte Hacker trotzig.
»Beruhigen Sie sich, Hacker. Einen musste es halt treffen. Außerdem«, begütigend legte der Graf seinen Arm auf die Schulter des niedergeschlagenen Mannes. »Außerdem brauche ich Sie für den Aufstieg. Bis es soweit sein wird, ist längst die Nacht hereingebrochen. Dazu ist es absolutes Neuland für uns – ein Aufstieg bei Nacht, noch dazu von unbekanntem, schwierigem Gelände aus. Deshalb ist es unabdingbar, dass ein besonders erfahrener Luftschiffer diesen Aufstieg von Außen überwacht. Das können schlichtweg nur Sie sein, Hacker.«
»Wenn Sie meinen, Exzellenz«, knurrte der – noch immer hörbar verdrossen.
»Ja, das meine ich!« Damit war die Entscheidung gefallen – und sie war endgültig.
Längst hatte sich die Nacht über den Rhein gesenkt, doch keiner der Zuschauer dachte ans Heimgehen. Eher im Gegenteil: immer neue Zaungäste strömten heran, um das Schiff, das im Schein der elektrischen Glühlampen in den beiden Gondeln geradezu märchenhaft illuminiert war, zu bestaunen. Und immer noch sog sich die Außenhülle mit Feuchtigkeit voll und wurde schwerer und schwerer. »Das ist ja nicht auszuhalten! Kommen die Kerle denn heute überhaupt noch, um uns zu helfen? Haben die sich etwa verlaufen?«
»Wenn sich das noch lange hinzieht, dann nützt uns auch der Verzicht auf die Besatzungsmitglieder nicht mehr. Dann können wir den Aufstieg endgültig vergessen.«
Endlich, um 21 Uhr 45, waren die Soldaten aus Mainz an der Landestelle erschienen. Zum Glück handelte es sich um Pioniere, die darin geübt waren, auch unter den widrigsten Umständen ihre Arbeit zu verrichten. Schon nach einer kurzen Einweisung begannen sie sofort damit, den detaillierten Anweisungen des Grafen Folge
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