Ferdinand Graf Zeppelin
gleich nach Beginn des Aufstiegs durch einen leichten Windstoß in die Menge hineingetrieben wird. Da braucht es wirklich nur ein kleines Lüftchen und schon ist es passiert. Das möchte ich keinesfalls riskieren. Deshalb müssen wir auf alle Fälle warten, bis die Soldaten da sind und für den nötigen Abstand sorgen. Außerdem ist es mir lieber, wenn Soldaten an den Haltetauen sind. Die wissen besser, wie man auf ein Kommando zu reagieren hat, als das normale Volk.«
»Immerhin können wir froh sein, dass es aller Voraussicht nach ziemlich windstill bleiben wird in den nächsten Stunden«, merkte Konrad von Bassus zufrieden an. »Damit dürfte es keinerlei Problem geben, das Schiff zusammen mit unseren freundlichen Bauern aus Kornsand sicher am Boden zu halten.«
Dankenswerterweise hatte einer der Bauern in der Zwischenzeit sogar eine ganze Kiste mit Werkzeug angeschleppt, mit dem Laburda und Schwarz den Motor nun viel schneller würden reparieren können, als mit dem behelfsmäßigen Bordwerkzeug.
»Wir sind wieder aufstiegsbereit, Exzellenz«, erstattete der erleichterte Laburda folglich schon eine knappe halbe Stunde später und nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme, seine Meldung. »Zumindest, was den Motor betrifft, sind alle Probleme behoben.«
»Das haben Sie hervorragend gemacht«, bedachte der Graf seinen Motorenfachmann mit einem anerkennenden Kopfnicken. »Wir bleiben aber trotzdem so lange am Boden, bis die Soldaten aus Mainz eingetroffen sind, die uns beim Wiederaufstieg helfen werden. Ich denke, wir haben ohnehin noch genug zu tun, das Schiff neu auszutarieren. Wie weit sind Sie mit Ihren Berechnungen gekommen?« wandte er sich nun an Hacker, Bassus und Dürr, die seit einer guten Viertelstunde das Luftschiff von vorne bis hinten sorgfältig inspizierten und dabei immer wieder Zahlen zu Papier brachten, damit die verschiedensten Berechnungen anstellten, deren Ergebnisse sie engagiert diskutierten, wieder verwarfen und neu in Relation zueinander setzten.
»Unser Problem ist das Gas. Wir haben unterwegs viel zu viel Wasserstoff verloren, um an einen sicheren Aufstieg denken zu können …«
»… wenn wir mehr Ballast zurücklassen, dann geht es durchaus. Wir haben immerhin noch 360 Kilogramm Ballast an Bord«, konterte Hacker die Einlassung des Freiherrn von Bassus.
»So einfach, wie Sie sich das denken, ist es nicht«, widersprach Dürr. »Wir müssen mindestens 120 Kilogramm als Landungsballast an Bord behalten. So oder so: für einen sicheren Aufstieg – und erst recht für eine sichere Weiterfahrt – sind wir aufgrund des großen Gasverlusts schlichtweg viel zu schwer. Da gebe ich dem Herrn von Bassus völlig recht.«
»Und welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus, Dürr?«
»Dass wir unbedingt leichter werden müssen – trotz des Ballasts, den wir natürlich aus Sicherheitsgründen im Schiff belassen müssen, Exzellenz. Ich denke, wir sollten daran gehen, alle Teile, die wir nicht unbedingt zur Weiterfahrt benötigen, auszubauen und zurück zu lassen.«
»Das leuchtet mir ein«, nickte der Graf und ließ seinen Blick nachdenklich über den gewaltigen Luftschiffkörper streifen. »Und an welche Teile haben Sie dabei im Einzelnen gedacht?«
»Zunächst die leeren Benzinfässer. Die brauchen wir wirklich nicht mehr. Dann die dicken Haltetaue und die großen Erdbohrer für die Landung auf festem Boden. Das ist zwar ein gewisses Risiko, das wir damit eingehen, aber ich denke, wir schaffen eine sichere Landung auch ohne diese Trossen. Und was das Verankern im Boden betrifft: das wird mit den unzähligen freiwilligen Helfern wieder ausgeglichen, die bei einer Landung sofort auf uns zuströmen und uns beim Festhalten helfen werden. Wir sind ja anscheinend keine Minute ohne Beobachtung und von überallher verfolgen die Leute unsere Fahrt. So wie selbst hier – beinahe im Niemandsland«, deutete Ludwig Dürr staunend auf die Menschenmenge, die inzwischen sicher an die tausend Köpfe zählen mochte.
»Wir machen es so, wie von Ihnen vorgeschlagen«, entschied Zeppelin, um sich im Anschluss einer kleinen Gruppe von festlich gekleideten Männern zuzuwenden, die von den Polizeibeamten anstandslos zum Luftschiff durchgelassen worden waren und sich den Luftschiffern nun mit feierlichen Mienen näherten. Sie entpuppten sich als Delegation aus dem benachbarten Weinort Nierstein. Der Bürgermeister und sein kompletter Gemeinderat hatten es sich nicht nehmen lassen, dem berühmten
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