Ferdinand Graf Zeppelin
Niederschreiben seiner Empfindungen schien ihm die erhoffte Klarheit zu verschaffen. Ja, sie war es! Isabella Freiin von Wolff! Er würde um ihre Gunst werben und eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages sogar um ihre Hand anhalten. Ja, doch. So sollte es geschehen.
Er war wieder verliebt! In ein wunderschönes, anmutiges Fräulein. Ein edles Geschöpf – seiner Mutter würdig. Was für ein herrliches Gefühl. Was für ein wunderschönes Leben!
Mitten hinein in diese Phase seines neu aufkeimenden Liebesglücks schoben sich freilich dunkle Wolken in Form der drohenden Rückkehr nach Stuttgart, denn seine Abordnung in den preußischen Generalstab galt bekanntlich nur für die Dauer von sechs Monaten. Es war sogar sein eigener Vorschlag gewesen. Und somit drohte nun der Abschied von Berlin – das Adieu an seine Herzdame Isabella von Wolff – verbunden womöglich mit dem jähen Ende seiner noch im Aufblühen begriffenen Liebe!
Es war folglich ein schwerer Gang, den er an einem nebelverhangenen Tag Anfang November anzutreten hatte, um sich von Isabella und ihrer Familie zu verabschieden. Tausend bange Gedanken jagten durch seinen Kopf, als er den Salon betrat, in dem ihn Isabella und ihre Mutter ein letztes Mal empfingen. Trotz aller Sorge um den Fortbestand der zarten Bande galt es jedoch, eine selbstbewusste, unbekümmerte Haltung an den Tag zu legen, um dann gegen Ende ihres Gesprächs der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, man möge sich möglichst bald einmal wiedersehen – sei es in Berlin oder in Stuttgart. Zum Abschied deklamierte Ferdinand sogar noch einen selbstverfassten Reim: »In Freud’ und Scherz, in Leid und Schmerz, Dein Sein und Herz gedenk an Ferdi Z.« Während Isabellas Mutter aufgrund der zugegebenermaßen etwas holprigen Lyrik in ein fröhliches Gelächter ausbrach, schienen die Worte bei der eigentlichen Adressatin ihre Wirkung jedoch gänzlich zu verfehlen. Lediglich der Wunsch auf eine hoffentlich gute Heimreise kam über ihre Lippen, verbunden mit einem knappen Abschiedsgruß.
Was hatte er nur falsch gemacht? Den ganzen Tag über kam Ferdinand aus dem Grübeln nicht mehr heraus. War er mit seinem kecken Reim etwa zu weit gegangen? Hatte er sie damit womöglich zu sehr bedrängt? Oder empfand Isabella tatsächlich keinerlei Bedauern über seinen Abschied? Hatte er sich in seiner ungestümen Verliebtheit schlichtweg über Isabellas Zuneigung ihm gegenüber getäuscht und ihre immer freundlichen Gespräche falsch gedeutet? Wurden seine Gefühle von seiner Angebetenen also womöglich gar nicht erwidert? Würde er wieder eine Zurückweisung erfahren müssen? Oder handelte es sich bei Isabellas Verhalten während der Verabschiedung nur um eine Form der Selbstbeherrschung, mit der sie den Abschiedsschmerz hinter einem eher neutralen Auftreten versteckt hatte? Hoffentlich war letzteres der Fall!
Und dennoch: die kommenden Monate würden fürchterlich werden, denn wie sollte es ihm von Stuttgart aus gelingen, sich über Isabellas wahre Empfindungen Klarheit zu verschaffen. Es war eine vertrackte Situation – aus der es scheinbar keinen Ausweg gab.
Doch unvermittelt trat, buchstäblich in letzter Minute, eine glückliche Wendung ein. Ausgerechnet einem preußischen General hatte er das zu verdanken. Und zwar nicht irgendeinem Offizier, sondern dem Chef des Generalstabs persönlich, also dem Freiherrn von Moltke, der sich in einem Zeugnis an das württembergische Kriegsministerium höchst angetan über das militärische Geschick des Hauptmanns Zeppelin geäußert hatte und sich für dessen weiteren Verbleib in Berlin aussprach. Dieses Lob aus allerhöchstem Munde verfehlte seine Wirkung nicht: Ferdinand erhielt die sofortige Kommandierung zum 1. Garde-Dragoner-Regiment und konnte damit seinen Aufenthalt in Berlin verlängern. Voller Erleichterung las er das Schreiben ein zweites und sogar noch ein drittes Mal: es war ihm, als habe eine unsichtbare gute Fee seine Wünsche erfüllt. Besser hätte er es gar nicht treffen können. Er würde seiner Isabella also auch weiterhin die Aufwartung machen können und hoffentlich bald ihr Herz gewinnen – falls es ihm nicht schon gelungen war. Die Zukunft war plötzlich wieder golden!
Aber kaum dass sich das Schicksal so gnädig mit Ferdinand gezeigt hatte, sah er sich mit einer ganz besonders diffizilen Anforderung konfrontiert. Denn nur wenige Wochen nach seiner Abkommandierung zu den Garde-Dragonern war ihm ein persönliches Schreiben von König Karl
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