Ferdinand Graf Zeppelin
übermittelt worden, in dem dieser den Wunsch äußerte, der Hauptmann Zeppelin möge künftig als Erzieher des württembergischen Thronfolgers Prinz Wilhelm fungieren und diesen in Potsdam auf den preußischen Militärdienst vorbereiten. Erzieher des Kronprinzen! Ausgerechnet er, ein Mann im Alter von 30 Jahren sollte sich darauf einlassen, den 20-jährigen Neffen des kinderlos gebliebenen Königs unter seine Fittiche zu nehmen! Ohne jede Erfahrung in dieser Hinsicht – und das bei einem Altersunterschied von gerade einmal zehn Jahren! Erschwerend kamen noch die Charaktereigenschaften des jungen Mannes dazu, von dem man wusste, wie verächtlich er sich ganz ungeniert mit drastischen Worten in aller Öffentlichkeit über die Zustände in Württemberg ausgelassen hatte. Sogar der unglaubliche Satz, er zöge es vor, »außerhalb des Landes zu leben und von der zweifelhaften Ehre der Königskrone verschont zu werden« sei gleich mehrmals gefallen, wie verschiedene Zeugen glaubhaft versicherten. Und nun sollte ausgerechnet er, der junge Graf Zeppelin, dem künftigen König von Württemberg die nötigen Manieren beibringen! Ein Himmelfahrtskommando!
Zwar würde es ihm auch diese neue dienstliche Verwendung ermöglichen, hier in Berlin beziehungsweise im nahen Potsdam zu verbleiben, andererseits jedoch waren die Gefahren, die sich mit dieser wahren Herkulesaufgabe verbanden, beträchtlich. Ein – durchaus nicht unwahrscheinliches – Scheitern würde mit absoluter Sicherheit das Ende seiner Militärkarriere bedeuten. Andererseits: bedeutete es nicht einen gewaltigen Vertrauensbeweis, wenn ihn sein König offenbar für fähig hielt, dieses verantwortungsvolle Amt zu übernehmen, das auch im Hinblick auf die Zukunft des Landes von enormer Bedeutung war? Und das alles nach den heftigen Irritationen, die er vor einem Dreivierteljahr bei dem so folgenschweren Gespräch mit König Karl ausgelöst hatte! Gut möglich, dass manches seiner Argumente eventuell doch seine Wirkung beim König gezeitigt hatte. Und dennoch … es war und blieb ein hoch riskantes Unterfangen. Einen Mann auf sein königliches Amt vorzubereiten, der doch nicht das geringste Interesse daran zeigte, König zu werden. Der sogar einmal von einem traurigen Geschick gesprochen hatte. Denn die Bitte des Königs einfach zurückweisen? Die Konsequenzen eines solchen Handelns konnte er sich lebhaft ausmalen! Es war zum Haareraufen, denn was er auch tat, im Grunde genommen konnte er nur scheitern!
Immerhin gelang es ihm, einige Wochen Bedenkzeit gewährt zu bekommen, um den Kronprinzen wider Willen im persönlichen Gespräch näher kennenzulernen. Der Eindruck, den ihre Zusammenkunft Mitte November 1868 auf Zeppelin machte, war verheerend. War die Stimmung des Thronfolgers seinem mutmaßlich künftigen Erzieher gegenüber zunächst ziemlich gereizt, so verwandelte sie sich schon bald in eine resignative Traurigkeit. Überall wolle er leben, nur nicht in Württemberg, bekannte Wilhelm und stellte dann sogar die Herrschaftsberechtigung des Königs grundsätzlich in Frage, in dem er argumentierte, kein Mensch sei »durch seine Geburt allein berufen, über andere Menschen zu herrschen.« Das war ja … Hochverrat. Kaum zu fassen, was er da hören musste. Konnte es tatsächlich sein, dass der künftige König von Württemberg, immerhin ein gesunder und kräftiger Mann von 20 Jahren, in dessen Adern das Blut eines stolzen Fürstenhauses zirkulierte, ohne jedweden Funken von Begeisterung die herrliche Aufgabe übernehmen mochte, zu der ihn doch Gott selbst berufen hatte! Es war unfassbar! Ausgerechnet ein solcher Mensch sollte eines Tages den württembergischen Königsthron besteigen?! Ein lahmer, orientierungsloser Romantiker ohne jeden Antrieb!
Nein und nochmals nein! Das konnte, beziehungsweise das durfte einfach nicht sein!
In seinem brodelnden Ärger nach der seltsamen Unterredung, der sich beinahe ins Uferlose steigerte, fasste Ferdinand einen grimmigen Entschluss: er würde diese Herkulesaufgabe übernehmen. Jetzt erst recht! Es hatte einzig und allein das Interesse des Landes und des Königshauses zu gelten, dem seine Vorfahren schon treu gedient hatten. Er würde also die intensivsten Anstrengungen unternehmen, um dem jungen Mann, der sich in so unverantwortlicher Gleichgültigkeit seiner Pflicht zu entziehen versuchte, die nötigen Flötentöne beizubringen. Ja, das würde er! Bei aller Skepsis, er musste dieses Wagnis schlichtweg eingehen. Und so wurde aus
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