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Ferdinand Graf Zeppelin

Ferdinand Graf Zeppelin

Titel: Ferdinand Graf Zeppelin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Haug
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eine Unzahl von Depeschen und sogar Brieftauben, die einen regelmäßigen Kontakt zwischen der allmählich neu formierten französischen Armee und den Eingekesselten aufrecht erhalten sollten. Diese Erkenntnisse hatten sie anhand der fünf Ballone gewinnen können, die aufgrund von plötzlich veränderten Windverhältnissen innerhalb der deutschen Linien zu Boden gegangen waren. Eine Möglichkeit, den Ballon in die gewünschte Richtung zu lenken, war ja nicht vorhanden. Ein klares Manko – und dennoch … wieder blitzte in ihm der Gedanke auf, diese Technik eines Tages weiter zu verfolgen. Denn die Möglichkeiten, die diese Ballons für eine moderne Kriegsführung eröffneten, schienen ihm noch längst nicht ausgereizt. Weder im Hinblick auf die fehlende Steuerung, noch auf die Frage, inwieweit sich Bomben im Ballonkorb mitführen ließen, die man über den Köpfen der Feinde abwerfen könnte. Doch zunächst musste er erst einmal auch noch die restlichen Kriegstage unversehrt überstehen, um danach vom König hoffentlich ein Kommando übertragen zu bekommen, das seinen Erfahrungen und seinem Dienstalter entsprach.
    Die Belagerung von Paris dauerte tatsächlich viel länger, als es die meisten für möglich gehalten hatten. Mit dem Mut der Verzweiflung setzten sich die Bürger der französischen Hauptstadt zur Wehr. Ferdinand von Zeppelin hatte mit seiner pessimistischen Einschätzung recht behalten. Sehr zu Isabellas Leidwesen, die ihren Ehemann auf das Schmerzlichste vermisste und sich vor Sorge um seine Gesundheit verzehrte.
    Erst am 28. Januar 1871 wurde die französische Hauptstadt endgültig in die Knie gezwungen. Zehn Tage zuvor war Ferdinand im Spiegelsaal von Versailles bereits Zeuge eines Ereignisses geworden, das einerseits in die deutsche Geschichte eingehen sollte und andererseits durch die absichtlich provozierende Art und Weise dieses Geschehens als ein ganz besonders schmerzhafter Stachel im französischen Gedächtnis niemals vergessen werden würde: die Kaiserproklamation des preußischen Königs Wilhelm. Der Jubel unter den Anwesenden schien kein Ende nehmen zu wollen: die Deutschen hatten endlich wieder einen Kaiser. Und das Reich würde unter der Führung von Kaiser Wilhelm damit zu alter Macht, Größe und Bedeutung zurückfinden. In dieser Überzeugung waren sich alle einig. Beinahe alle …
    Denn trotz aller Begeisterung, die auch ihn angesichts der Tatsache erfasste, das Reich endlich wieder stark und vereint zu sehen, mischte sich für den württembergischen Hauptmann ein ziemlich bitterer Beigeschmack in den nationalen Jubel: allein die Art und Weise, wie sich die Preußen rücksichtslos in die Führungsrolle über die anderen deutschen Staaten hinein gedrängt hatten und deren Zustimmung zur Kaisererhebung des Preußenkönigs geradezu erpresst hatten, ließ ihn düster in die weitere Zukunft blicken. Die Preußen würden auch künftig ihre Führungsrolle rücksichtslos wahrnehmen – ohne sich um die Belange der kleineren deutschen Staaten sonderlich zu scheren. Ausgerechnet sein Württemberg dürfte dabei einer dieser Staaten sein. Das hing natürlich auch mit den Mentalitätsunterschieden der beiden Volksgruppen zusammen, denn bekannterweise trug man als Schwabe sein Herz ja nicht unbedingt auf der Zunge. »Es fehlt uns einfach die Gabe, sich leicht mitzuteilen«, schrieb er seiner Bella in einem ausführlichen Brief nach Stuttgart, weshalb besonders die wortgewandten Rheinländer und die Preußen den Württembergern mit einem teilweise unerträglichen Dünkel von oben herab gegenüber träten, gerade so, als ob sie schon allein ihrer Sprache wegen den Schwaben überlegen seien. »Wir haben daher die doppelte Erscheinung, dass der Preuße sich dünkt, ein besserer Mann zu sein als der Württemberger, während sich dieser teils verletzt fühlt und schmollt, teils seine Vorzüge bewundernd vergisst und sich dem Bewunderten dienend hingibt. Das Vorhandensein dieses Zustandes ist leider keine unbegründete Annahme!«
    Doch es war nun einmal Fakt: die Preußen hatten die Führungsrolle übernommen – und würden sie sich auch nicht mehr aus den Händen reißen lassen. So blieb ihm nur, sich in das Unvermeidliche zu fügen und gleichzeitig sorgsam darauf zu achten, dass sein geliebtes Württemberg nicht gänzlich unter die preußischen Räder kommen würde.
    Immerhin: der Krieg war nun zu Ende – und auch, wenn es wegen des immer wieder aufflackernden Widerstands in Paris noch einige Wochen

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