Ferdinand Graf Zeppelin
Macaire ausgeschieden war. Ebi beschäftigte sich inzwischen mit dem Umbau der verwaisten Gebäude des ehemaligen Dominikanerklosters, wo die Macair’sche Tuchfabrikation aus Kostengründen längst eingestellt worden war. Jetzt sollte hier ein Hotel entstehen. »Jahr für Jahr kommen immer mehr Besucher an den Bodensee und verlangen nach einer standesgemäßen Unterkunft, die hier bislang jedoch kaum zu finden ist. Da müsste sich ein Hotel der gehobenen Kategorie doch als eine wahre Goldgrube erweisen«, erläuterte Ebi seine Pläne, weshalb er aus dem Geburtsort der Geschwister das »Insel Hotel« entstehen lassen wollte. »Und natürlich muss dabei ein modernes, luxuriöses Haus entstehen, das sich aber dennoch würdevoll und wie selbstverständlich in die grandiose Kulisse des Bodensees und des Alpenpanoramas einfügen soll.« Um diesen hohen Ansprüchen gerecht werden zu können, bedurfte es eines hervorragenden Architekten, der sich mit seinem technischen Wissen auf der Höhe der Zeit befand. Der Mann war rasch gefunden, denn es handelte sich um genau denselben überragenden Baumeister, der auch schon das »Haus am Berg« der Zeppelins in Ulm entworfen hatte: Professor Emil Tafel. Dankbar hatte Eberhard die Empfehlung seines Bruders aufgegriffen und wurde von dem Architekten nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil sogar. Voller Stolz führte Ebi seine Geschwister grundsätzlich bei jedem ihrer Aufenthalte in Schloss Girsberg durch die Baustelle des neuen »Insel Hotels« – und platzte natürlich beinahe vor Glückseligkeit, als er das nagelneue Hotel bereits am 15. April 1875 im Beisein von Ferdi und Ely unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit feierlich einweihen konnte.
Auch Ferdinand genoss diesen Tag in vollen Zügen. Das Datum, an dem sein Geburtsort in ein prachtvolles Hotel verwandelt worden war. Dank der Tatkraft und dem Geschick seines immerzu freundlich – umtriebigen »kleinen« Bruders. Herrlich! In solchen Stunden schienen seine gesundheitlichen Probleme wie weggeblasen – und auch die liebe Bella wirkte auf ihn so, als habe sie für einige Zeit die Sorgen wegen ihrer eventuellen Kinderlosigkeit vergessen können.
Endlich! Am 28. November 1879 war das Glück der Zeppelins vollkommen: frühmorgens um sechs Uhr hatte Bella ein Kind zur Welt gebracht. Ein Mädchen. »Was für ein wunderschönes Kind!« Dankbar fielen sich die beiden Eheleute nach der komplikationslos überstandenen Geburt in die Arme. »Nun sind wir endlich eine richtige Familie!«
»Hast du dich nun schon entschieden, wie unser Kind genau heißen soll«, erkundigte sich der stolze Vater. »Jetzt, nachdem es ein Mädchen geworden ist?«
»Ich denke, das entscheiden wir beide zusammen, nicht wahr?« schenkte ihm Bella ihr strahlendstes Lächeln. »Bist du eigentlich nicht enttäuscht, dass es kein Junge geworden ist? Kein stolzer Bub, der eines Tages als Offizier in die Fußstapfen seines Vaters hätte treten können?«
»Niemals! Wie kommst du denn nur auf so etwas, Bella?!« brach es aus Zeppelin spontan heraus. »Hauptsache unser Kind ist gesund und es wird ein guter Mensch aus ihm. Das ist doch das Allerwichtigste im Leben. Das ist alles, was zählt.«
»Dann werden wir dafür Sorge tragen, dass sich aus unserem kleinen Mädchen ein solcher Mensch auch wirklich entwickeln kann«, strahlte Bella.
»Und wie soll es nun also heißen, unser liebes Töchterlein?« insistierte Ferdinand ein weiteres Mal.
»So, wie wir es bereits miteinander besprochen haben, finde ich. Helene Amalie. Das ist doch ein wunderschöner Name, findest du nicht auch?«
»Doch, das finde ich auch …« lächelte der frisch gebackene Vater selig.
In diesem Augenblick wurde die Tür des Schlafzimmers vorsichtig geöffnet und die Hebamme, die das Neugeborene behutsam in den Armen trug, betrat den Raum. »Wollen Sie ihr kleines Töchterlein vielleicht einmal selbst halten, Herr Graf?«
Zeppelin machte spontan eine erschrockene Abwehrbewegung. »Ich?! Aber … ich … ich weiß ja gar nicht, wie das geht …« stotterte der von einem solchen Ansinnen völlig überrumpelte Mann. »Nicht dass ich womöglich etwas falsch mache …«
»Da kann man nicht viel falsch machen. Sie müssen es nur gut festhalten, dann kann gar nichts passieren. Kommen Sie einmal. Hier … hier haben Sie Ihre liebe kleine Tochter.«
Ehe er sich’s versah, hatte ihm die Hebamme den Säugling in den Arm gelegt und seine andere Hand um das Köpfchen des Wickelkindes geführt.
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