Ferdinand Graf Zeppelin
Es war ein unbeschreibliches Gefühl. »So klein … und so zart. Unser liebes Kind. Unsere liebe Hella … unser Ein und Alles!«
Es glitzerte feucht in seinen Augen, als er einen zarten Kuss auf die rosige Wange des winzigen Geschöpfes hauchte. »Unsere liebe Hella. Was für ein herrlicher Tag – und was für ein unbeschreiblicher Schatz, den du uns heute geschenkt hast, meine geliebte Bella!«
Wenig später verabschiedete sich der überglückliche Vater von seiner Ehefrau und dem friedlich schlafenden Kind, um den Hausangestellten die frohe Nachricht zu bestätigen und ihnen zur Feier des Tages einen guten Schluck Wein zu spendieren.
Noch lange blickte Bella zur Schlafzimmertür, die ihr Ehemann sachte hinter sich geschlossen hatte. Tränen schossen in ihre Augen. Tränen des Glücks und der Rührung. Was war das doch für ein wunderschöner Anblick gewesen. Ihr Ferdi mit dem süßen neugeborenen Kind in seinen Armen. Ihrer lieben kleinen Hella. Ein Kind war ihnen geschenkt worden. All ihr Hoffen und Sehnen hatte nun ein gutes Ende gefunden. Der 28. November 1879: Es war ein Datum des Glücks und der Dankbarkeit. Wie sich die Welt doch von einem Tag auf den anderen verwandeln konnte! Wie herrlich! Man konnte dem lieben Herrgott nicht genug danken, für diese Gnade, die er ihr mit der kleinen Hella erwiesen hatte. Mitten in ihrem innigen Dankgebet fiel die über alle Maßen glückliche Isabella von Zeppelin in einen erschöpften, tiefen Schlaf.
Nicht nur über dem privaten Glück des Ehepaars Zeppelin strahlte seit der Geburt ihrer Hella die Sonne: auch in beruflicher Hinsicht entwickelten sich die Dinge für Ferdinand zum Positiven. So wurde er am 30. Juli 1882 zum Kommandeur des 1. Württembergischen Ulanenregiments »König Karl« in Ulm ernannt und erhielt anderthalb Jahre später dann auch seine Beförderung zum Oberst. Diese Aufgabe erledigte er – wie nicht anders erwartet worden war – zur völligen Zufriedenheit des Generalstabs und vor allem auch des königlichen Hauses. Man hätte beinahe meinen können, dass es vor Jahren dieses gravierende Missverständnis mit König Karl gar nie gegeben hätte. Das Verhältnis blieb intakt, auch wenn sich der König zu Zeppelins Enttäuschung für technische Neuerungen nach wie vor eher mäßig interessiert zeigte. Nach der Lektüre eines Zeitungsartikels über die Experimente der französischen Offiziere Renard und Krebs mit einem lenkbaren Ballon, der von einem Elektromotor angetrieben wurde, hatte Zeppelin seine alten Aufzeichnungen sofort wieder hervorgeholt. Wenn man dem Artikel Glauben schenken durfte, dann hatten es die Franzosen in diesem Herbst tatsächlich geschafft, ihren Gasballon »La France« zu einem von ihnen vorher festgelegten Ziel zu steuern! Mit anderen Worten: sie hatten genau das erreicht, was bislang als unmöglich gegolten hatte. Ausgerechnet die Franzosen hatten damit das Zeitalter der lenkbaren Luftschiffe eingeläutet und sich einen enormen Vorsprung vor den Deutschen verschafft. Denn während die deutschen Stellen bislang sämtlichen Anregungen von Zeppelin und anderen weiter voraus blickenden Offizieren zur Entwicklung eines lenkbaren Luftschiffs die kalte Schulter zeigten, waren die Franzosen nicht untätig geblieben Wie leicht konnte dieser Vorsprung im Hinblick auf künftige militärische Auseinandersetzungen zum kriegsentscheidenden Nachteil geraten?!
Nun gut: seine intensiven Recherchen, die er in den folgenden Tagen zu diesem Thema anstellte, brachten schließlich einige Erkenntnisse an den Tag, die manche Schlagzeile über den Erfolg der »La France« in einem wesentlich glanzloseren Licht erscheinen ließen, denn die Durchschnittsgeschwindigkeit des Gasballons hatte nur 5,5 Meter in der Sekunde betragen, also 19,8 Stundenkilometer. Und das wiederum bedeutete: wenn es an diesem Tag nicht absolut windstill gewesen wäre, hätte der Ballon keine Chance gehabt, sich gegen die Windrichtung zu behaupten. Der Luftwiderstand wäre viel zu groß gewesen und die Leistung des Motors erheblich zu schwach. Außerdem, so konnte er in Erfahrung bringen, war der Rundflug nur von ganz kurzer Dauer gewesen, dazu ganz ohne einen nennenswerten Transport von Lasten. Fazit: Auch der Elektroantrieb schien folglich nicht für die Luftfahrt geeignet – zumindest noch nicht. Und dennoch konnte man es drehen und wenden wie man wollte: Die »La France« hatte unter Zeugen diesen Rundflug geschafft, wie kurz er in Wahrheit auch ausgefallen sein
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