Ferdinand Graf Zeppelin
sie inzwischen wieder in die richtige Reihenfolge gebracht hatte, in seine Hände. Zumindest für die nächsten Stunden brauchte sie folglich nicht zu befürchten, dass es ihrem Ehemann in irgendeiner Form langweilig werden würde. Technische Neuerungen interessierten ihn bekanntlich schon immer – und über die gasgefüllten Ballone, mit der die Verteidiger von Paris über den Köpfen der deutschen Soldaten in die Freiheit entschwebt waren, hatte er sich mehr als einmal begeistert geäußert, wenn er im Freundeskreis von seinen Kriegserlebnissen berichtete.
Sachte zog sie die Tür zum Wohnzimmer hinter sich ins Schloss – aber das bemerkte ihr Ferdinand gar nicht mehr, so intensiv hatte er sich bereits in seine neue Lektüre vertieft. Es war ein faszinierender Lesestoff, der ihn auch in den folgenden Tagen in seinen Bann schlug. Und wenn dann endlich diese lästige, durch die Diphtherie bedingte Mattigkeit vorüber wäre, dann würde er versuchen, die Thematik mit seinen eigenen Gedanken weiterzuspinnen. Am 25. April 1874 war es so weit: an diesem Tag hatten sich seine Überlegungen nach der Lektüre weiterer Schriften über Atmosphäre, Gase und mancherlei Flugexperimente – angefangen bei den alten Griechen – sowie einer intensiven Nachdenkphase nun zu ersten, einigermaßen konkreten Vorstellungen verdichtet. So notierte der ganz allmählich wieder genesende Zeppelin in einem ersten Tagebucheintrag seinen Gedanken, in absehbarer Zeit eine Skizze für einen lenkbaren Ballon zu entwerfen – und dieses »Luftschiff« in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft womöglich auch bauen zu können. Es sollte tatsächlich eher die Form eines Schiffes besitzen, keinesfalls schien ihm die bisherige Ballonform ideal. Ein starres Schiff, das dank der Befüllung seiner verschiedenen Gaszellen mit Wasserstoffgas leichter als Luft sein würde – und damit in den Himmel steigen könnte! Ein ziemlich großes Schiff, denn es sollte ja imstande sein, Lasten zu tragen und Menschen zu befördern: »Die Erhebung wird dann erreicht durch das Angehen der Maschine, welche das Fahrzeug gewissermaßen auf die nach aufwärts gestellten Flügel treibt.
In der gewollten Höhe angelangt, werden die Flügel weniger steil gestellt, so dass das Luftschiff in der horizontalen Ebene bleibt.« Mit einem zufriedenen Nicken legte er den Federkiel beiseite und las das Geschriebene noch einmal sorgfältig durch. Es waren keinerlei unlogische Schlussfolgerungen enthalten. Wie einfach sich das doch anhörte! Wäre da nicht die alles entscheidende Frage, wo sich ein solcher Antrieb finden lassen konnte, mit dessen Hilfe man das Luftschiff bewegen könnte. Eventuell waren es diese Gasmotoren, wie sie mittlerweile in Deutz unter der Leitung des neuen Technischen Direktors Gottlieb Daimler höchst erfolgreich gebaut wurden? Eher nein: diese Gasmotoren waren viel zu schwer, und erst recht die monströsen Tanks, die für ihren Betrieb benötigt wurden … Es musste folglich etwas anderes geben. Aber was? Man würde absolutes technisches Neuland betreten müssen. So viel stand für ihn fest. Und ganz abgesehen von dieser Frage würde sich automatisch ein ganz anderes Problem auftun: die Kosten. Die Geldmittel, die man für die Herstellung eines solchen Luftschiffs einkalkulieren musste, dürften enorm sein. Ganz zu schweigen von den Rückschlägen, die es ganz sicher geben würde. Welcher Finanzier würde dazu bereit sein, sich auf ein derart riskantes Unternehmen einzulassen? Fragen über Fragen … und trotz alledem: eine faszinierende Herausforderung, die es auf alle Fälle im Auge zu behalten galt.
Zwischenzeitlich bestimmten allerdings wieder ganz andere Themen den Tagesablauf des Ferdinand von Zeppelin. Denn als seine Gesundheit endlich wieder hergestellt war, wurde er zum Major befördert und aus Straßburg abkommandiert. »Meine neue Wirkungsstätte wird nun das 2. Württembergische Dragonerregiment sein«, erklärte er seiner Ehefrau stolz und drückte ihr einen liebevollen Kuss auf die Wange. »Schon wieder ein Umzug. Und schon wieder ein Haushalt, den ich neu zu organisieren habe«, seufzte Bella. »Aber das ist wohl das Schicksal einer Offiziersfamilie. Immerhin hast du aber einen bedeutenden Schritt auf der Karriereleiter machen können und dafür nehme ich alle Mühsal gerne in Kauf. Hauptsache, meinem lieben Männi geht es gut!« schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln. »Wenn ich doch nur endlich ein Kind unter dem Herzen tragen könnte,
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