Ferdinand Graf Zeppelin
zeigen! Genauso geschah es: das Urteil über Zeppelins Fähigkeiten als Kommandeur einer Kavalleriedivision fiel vernichtend aus. Es habe sich erweisen, dass der Mann schlichtweg nicht dazu fähig sei, eine Division zu führen. Zeppelin, so wurde ihm unmissverständlich mitgeteilt, brauche nach dem jämmerlichen Bild, das er während der Herbstmanöver abgegeben habe, nicht darauf zu hoffen, jemals ein solches Kommando übertragen zu bekommen. Eine Blamage! Selbst wenn jedem – auch seinen direkten Vorgesetzten – nur allzu deutlich bewusst war, in welche Falle man Zeppelin hatte tappen lassen, sein Ruf in der Armee war damit für alle Zeiten ruiniert. Es blieb ihm nur noch der Abschied.
Offiziell wurde ihm immerhin gestattet, als Grund für seine Demission die Folgen eines in Wahrheit harmlosen Reitunfalls vom Frühjahr anzugeben, der ihn auf Dauer dienstunfähig gemacht habe, doch das änderte nichts an den bitteren Tatsachen: nach 35 Dienstjahren beim Militär war Schluss! Weder das Bedauern des Generalfeldmarschalls von Moltke, der bei Zeppelins Abschiedsbesuch sogar anmerkte: »So, so, Sie gehen? Schade, ein so tüchtiger Offizier!«, noch die Beförderung zum General der Kavallerie im Ruhestand durch den mitfühlenden württembergischen König konnte über den Schmerz hinweghelfen, den ihm die fürchterliche Demütigung bei den Herbstmanövern noch wochenlang bereitete.
»Aber Ferdi«, versuchte Isabella kurz nach der Ankunft auf Schloss Girsberg ein Gespräch mit ihrem nach wie vor niedergeschlagenen Ehemann zu beginnen. »Du hast beim Verfassen deiner Denkschrift doch wissen müssen, welche Reaktionen sie auslösen wird. Nach so vielen Jahren in Berlin musste dir doch klar sein, dass die Preußen sich eine solche Analyse – und vor allen Dingen derartige Schlussfolgerungen – niemals bieten lassen würden! Das war ja sonnenklar.«
Fast schien es ihr, als habe er ihre Worte gar nicht wahrgenommen. Still und in sich gekehrt kauerte er in dem großen Ledersessel des Salons. Es verging geraume Zeit, bis er langsam den Kopf hob und seine Bella aus ernsten Augen musterte. In einer hilflosen Geste hob er die Schultern und ließ sie wieder sinken, »Ach Bella …« krächzte er rau. »Natürlich war mir klar, dass es zu einer Reaktion kommen würde. Ansonsten wäre meine Denkschrift ja sinnlos und noch nicht einmal das Papier wert gewesen, auf das sie geschrieben ist. Aber … und das ist das Entscheidende: ich hatte ehrlich gehofft, dass ich damit eine Diskussion auslösen kann, die auch von Seiten der württembergischen Regierung ernsthaft geführt werden sollte. Ganz zu schweigen vom Königshaus, in dessen wohlverstandenem Interesse ich ja versucht habe, zu agieren. Doch nichts dergleichen ist geschehen …«
Bella nickte mitfühlend. »Ja, das war schon eine bittere Erfahrung. Dass unser König Karl nicht von sich aus die Initiative ergreifen würde, das war ja eigentlich klar. So gut kennen wir ihn schließlich. Der hat schlichtweg keine Lust mehr, aktiv irgendwelche Staatsgeschäfte zu betreiben – und der Prinz Wilhelm darf bei offiziellen Anlässen in Vertretung des Königs zwar repräsentieren, aber keine Entscheidungen treffen. Dass aber auch die württembergische Regierung in dieser Hinsicht nicht im mindesten aktiv wird, nachdem du ihr doch das Feld bereitet hattest, das ist schon erstaunlich. Genauso erstaunlich, wie enttäuschend, da muss ich dir beipflichten.«
»Und genau damit hatte ich nicht gerechnet. Dass meine Schlussfolgerungen in Berlin nicht eben einen freudigen Widerhall finden würden, das war mir ja klar. Aber dass man sich in Stuttgart ohne Widerrede von den Preußen bestimmen lässt – auch was meine Person angeht – damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Und das Schlimmste dabei ist ja, mit welch schlangengleicher Raffinesse die Preußen dabei vorgegangen sind und meinen Ruf als Soldat zerstört haben. Daran kann auch kein Generalstitel mehr etwas ändern, so dankbar ich die wohlwollende Geste natürlich registriere, die mir König Karl damit zum Ausdruck hat bringen wollen. Aber nun … sehe ich mich ganz plötzlich im Alter von 52 Jahren in den Ruhestand versetzt – und das noch unter wahrhaft ehrenrührigen Bedingungen.«
»Du solltest es nicht gar so düster sehen, Ferdi. In Württemberg sind sie auf deiner Seite – auch wenn sich die Regierung sicherlich nicht gerade heldenhaft verhalten hat – und die Leute hier nehmen dich sowieso ganz anders wahr. Als einen
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