Ferdinand Graf Zeppelin
Beginn ihres Aufenthaltes erlebten die Daimlers eine stürmische Bootsfahrt, denn ohne auf die Warnungen des Hoteliers zu hören, der sie vor einem unmittelbar bevorstehenden Wetterumschwung gewarnt hatte, stachen die beiden vom Anlegeplatz des Inselhotels in See. »In einer knappen Stunde müssten wir in Friedrichshafen sein – lass den Motor ruhig auf voller Leistung laufen, Paul, denn bei dieser Gluthitze ist es sonst ja selbst auf dem Wasser kaum auszuhalten«, gab der alte Daimler die entsprechenden Anweisungen, während er sich mit seinem Taschentuch über die schweißnasse Stirne wischte. Kurz danach befanden sie sich bereits weit draußen auf dem Bodensee. »Du schau einmal, Vater, der Dampfer da vorne, der scheint direkt auf uns zuzuhalten. Der sieht uns doch hoffentlich!«
»Das wäre wünschenswert«, knurrte Daimler. »Aber da, schau: da winkt uns einer zu. Es ist sogar der Kapitän persönlich.«
Das Dampfschiff drosselte nun seine Geschwindigkeit und schob sich langsam neben das Motorboot, während der Kapitän seine Hände zu einem Trichter formte: »Hallo. Hören Sie mich? Sie sollten sofort umkehren. Da drüben in Bregenz braut sich ein Unwetter zusammen.«
»Wir wollen aber nach Friedrichshafen, so lange wird das Wetter schon noch halten«, rief Paul zurück.
»Das glaube ich nie und nimmer. So ein Föhnsturm kommt hier am See immer ganz plötzlich. Glauben Sie mir! Ich kenne mich aus.«
»Lassen Sie das getrost unsere Sorge sein«, entgegnete der junge Daimler. »Mein Vater und ich sind Ingenieure, wir können die Dinge ganz gut einschätzen. Bis Friedrichshafen werden wir das schon schaffen.«
»Ich kann Sie nur nochmals warnen. Drehen Sie um und fahren Sie zurück nach Konstanz. Der Bodensee ist ein gefährliches Gewässer.«
Doch die beiden Daimlers machten keinerlei Anstalten, der Aufforderung des Dampferkapitäns Folge zu leisten. »Dann nehmen Sie wenigstens die beiden Rettungsringe mit, die wir Ihnen hinüber werfen!«
Kopfschüttelnd fischte Gottlieb Daimler die Rettungsringe aus dem Wasser und legte sie in ihr Boot. »Die scheinen uns für Volltrottel zu halten«, murmelte er leise, um sich gleich darauf mit lauterer Stimme zu Wort zu melden. »Vielen Dank, Herr Kapitän. Sie bekommen sie morgen wieder zurück. Und nun, Adieu. Volle Leistung, Paul!«
Paul legte den Kupplungshebel um und schon schoss das Boot nach vorne. »Unwetter! Föhnsturm! Dass ich nicht lache! Diese Seehasen!«
Es war keine Viertelstunde vorüber, da verging ihnen das Lachen. Schlagartig hatte sich der Himmel verdüstert und ein heftiger Wind peitschte die nunmehr dunkelgraue Wasserfläche zu mächtigen Wogen auf, die hart an den hölzernen Schiffsrumpf prallten. Es wurde die stürmischste Seefahrt ihres Lebens, zumal der Motor gegen die Kraft der Strömung nichts mehr entgegen zu setzen hatte. In der Nähe von Fischbach wurde das Boot mit seinen beiden kreidebleichen Insassen schließlich ans Ufer geworfen. Der Sturm verebbte. »Das war knapp, Vater«, keuchte Paul, als sie patschnass und mit wackeligen Knien auf dem Kiesstrand standen. »Künftig werde ich darauf hören, was die Einheimischen sagen – wenn ich mich überhaupt noch einmal in ein solches Boot setze!«
Das Gelächter, dem sich die Daimlers am Abend im Inselhotel ausgesetzt sahen, war dann wesentlich besser zu ertragen, als das, was sie an Todesängsten auf dem Bodensee ausgestanden hatten. »Stellen Sie sich nur einmal vor Herr Daimler, sie wären mit dem Boot gekentert. Dann hätte ich meine Experimente mit ihren Motoren für diesen Sommer ganz abschreiben können«, bedachte Zeppelin den Konstrukteur mit einem vorwurfsvollen Blick.
»Vielen Dank, Exzellenz, dass Sie sich so viele Sorgen um die Motoren machen und weniger um mein Wohlergehen«, knurrte Daimler. »Das werde ich mir merken müssen …«
Ein befreiendes Lachen beendete diesen denkwürdigen Tag, an dem es beinahe ein schlimmes Unglück gegeben hätte.
Am folgenden Tag hatten Daimler, Zeppelin und ihre Helfer alle Hände voll zu tun, das gestrandete Boot aus dem Sand zu graben und vor allen Dingen: den Motor wieder in Gang zu bringen. Es dauerte Stunden. Die weiteren Erprobungsfahrten, bei denen sie einmal sogar König Wilhelm II. als Gast in ihrem Boot begrüßen konnten, verliefen reibungslos. Der König zeigte sich von der Leistungsfähigkeit des Antriebs genauso angetan wie Zeppelin. »Und wenn es Ihnen dann eines hoffentlich nicht mehr allzu fernen Tages gelungen ist,
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