Ferien Auf Saltkrokan
nur bei Jocke. Er half Onkel Jansson auch beim Ausmisten, und er kam nach Hause und roch so nach Stall, daß es keiner in seiner Nähe aushielt. Malin war gezwungen, ein Paar alte Skihosen und eine zu klein gewordene Jacke als Stallkleidung herauszugeben, die er, sobald er zur Tür herein war, im Hausflur auszuziehen hatte.
»Später werden wir das Zeug wohl verbrennen müssen, wenn wir wieder wegfahren«, sagte Malin.
»Nee, das will ich mit in die Stadt nehmen«, sagte Pelle unerwartet heftig. Malin war im Begriff, etwas kaputtzumachen, was er sich gerade ausgedacht hatte. Und ein wenig verlegen erklärte er es ihr. »Ich kann es in einem besonderen Schrank aufbewahren«, sagte er. »Und wenn ich mich zu sehr nach Jocke sehne, dann gehe ich hin und rieche daran.«
Tjorven ging ein paarmal mit ihm in Janssons Stall, aber schließlich hatte sie es satt.
»Ich will nicht die ganze Zeit bloß immer mit Kühen und Kühen zusammensein«, sagte sie.
Statt dessen lief sie Ski. Sie hatte zu Weihnachten Skier bekommen, und nun mühte sie sich auf den Hängen ab, unverdrossen und beharrlich. Wenn sie hinfiel, hatte sie Mühe, allein wieder hochzukommen. Sie lag da und zappelte mit den Beinen wie ein Käfer, bis Teddy oder Freddy kamen und ihr wieder hochhalfen. Aber sie waren jetzt selten zur Stelle. Meistens trieben sie sich mit Johann und Niklas herum und waren wieder geheim. Sie hatten eine geheime Schneefestung, die jeder Mensch, der Augen im Kopf hatte, unten an der Landzunge sehen konnte. Da brachten sie den ganzen Tag zu, aber manchmal wurde es ihnen langweilig, und sie begaben sich auf lange Skifahrten übers Eis zu anderen Inseln, oder sie angelten Strömlinge im Eis mit Söderman zusammen, der jetzt wieder zu Hause war und geschworen hatte, fürs erste werde er nicht mehr in die Stadt reisen.
Alle waren beschäftigt, und Tjorven war immer noch eine ziemlich verlassene Tjorven mit Bootsmann als ihrer liebsten Gesellschaft. An einem bitterkalten Tag, als der Himmel eisig grün über Saltkrokan stand und der Mehlbeerbaum beim Schreinerhaus weiß von Rauhreif war, kam Malin von ihrer Skifahrt nach Haus und fand Tjorven weinend auf dem Hang hinter Södermans Hütte. Sie weinte sonst nur vor Zorn, aber dies waren Tränen des Leides und rührten von Frost in Fingern und Zehen her und von einem Gefühl der Verlassenheit, das einen überkommt, wenn man stundenlang im Schnee herumgestiefelt ist und plötzlich merkt, wie fürchterlich man friert und daß bei Söderman alles abgeschlossen ist und bei ihr selbst niemand zu Haus und auch im Schreinerhaus keiner, und wenn Teddy und Freddy vergessen haben, daß sie versprochen hatten, nach einem zu sehen, während Mama und Papa in Norrtälje sind.
Wenn man dann plötzlich Malin sieht, dann kommen einem die Tränen, die man bis jetzt nur als einen Klumpen im Hals gehabt hat, plötzlich aus den Augen gestürzt. Wie kann das Leben für ein kleines Kind bloß so kalt und schrecklich und einsam sein – oh, daß aber Malin trotzdem gekommen ist!
Und Malin nahm sie auf den Arm und trug sie zum Schreinerhaus und sang ihr etwas vor, während sie dahinging:
»A-B-C, die Tjorven lief im Schnee.
Der Schnee ist kalt, die Tjorven weint,
weil leider keine Sonne scheint.
A-B-C, das Frieren tut so weh.«
Als sie dann in die Küche vom Schreinerhaus kamen, da machte Malin etwas Seltsames, etwas überaus Seltsames, fand Tjorven.
»Man kann sich doch nicht mitten am Tag ausziehen und ins Bett legen«, sagte Tjorven.
»Doch, wenn man kleinen Kindern die Zehen aufwärmen will, dann ist dies das beste Mittel«, versicherte Malin.
Sie kuschelten sich beide auf Malins Küchensofa zusammen, und da war es warm, es war das Himmelreich für ein Kind, das vier Stunden lang im Schnee herumgestapft war. Tjorvens Augen begannen zu glänzen. »Fühlst du meine Zehen?« fragte sie. Malin versicherte ihr mit einem Schauder, das tue sie, denn so kalte Kinderzehen waren wohl noch nie auf diesem Küchensofa aufgetaut worden.
Tjorven konnte sich über Malins seltsame Einfälle gar nicht genug wundern. Ab und zu lachte sie auf. So etwas hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nicht erlebt.
»Man kann sich doch nicht mitten am Tag ins Bett legen«, sagte sie von neuem.
»Doch, wenn ›das Frieren so weh tut, daß die Tjorven weint‹, dann muß man«, sagte Malin.
Tjorven gähnte.
»Ach was, sing doch nicht dies traurige Lied«, murmelte sie. »Sing eins, von dem einem die Zehen warm werden.«
Malin
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