Ferien mit Biss
Wäscheleine durchs Wohnzimmer gespannt?«
Woiwo lachte. »Wäscheleine! Du bist vielleicht ultimo ulkig!«
»Das ist keine Wäscheleine, sondern unsere Abhängleine. Zum Arme, Haare und Seele baumeln lassen«, erklärte Tante Karpa.
Helene erinnerte sich, dass Daka und Silvania in ihrem Zimmer in Bindburg auch so eine Leine gespannt hatten. Daran hingen sie manchmal kopfüber. Helene hing lieber auf dem Bett ab. Das ging auch. »Und was sind das für Tüten an der Abhängleine?«, fragte Helene.
»Das sind Halterungen für Getränke und Knabbereien«, erklärte Vlad Tepes.
»Warte, ich zeig's dir.« Woiwo war mit zwei Armschlägen bei der Abhängleine. Sie war an mehreren Stellen mit Schaumstoff gepolstert und sah sehr gemütlich aus. Woiwo hängte sich mit den Beinen kopfüber an die Leine. Dann griff er in eine der Stofftüten und holte eine Fernbedienung hervor. Er drückte auf einen Knopf. An der Wand ging ein Fernseher an. Das Bild war gestochen scharf, bunt und ... verkehrt herum.
Helene drehte den Kopf. Sie versuchte etwas auf dem Bildschirm zu erkennen. Zwei Vampirdamen schwebten durch das Bild. Dabei kreisten sie mit den Köpfen. Sie hoben die Arme im Takt. Dann wackelten sie mit den Popos.
»Zensatoi futzi!«, rief Tante Karpa. »Fluggymnastik mit Huca und Staica!« Sie wackelte ebenfalls mit dem Popo.
Woiwo griff in einen anderen Stoffbeutel und steckte sich etwas in den Mund. »Schmeißfliege, geröstet und gesalzen. Ultimo lecker!«
Helene schüttelte sich.
Silvania legte mitfühlend den Arm um ihre beste Freundin.
Daka lief das Wasser im Mund zusammen.
Elvira Tepes räusperte sich. »Wo schlafen wir denn?«
»Für euch«, sagte Vlad Tepes an seinen Bruder und seine Frau gewandt, »haben wir den Ehesarg eine Etage weiter unten aufgestellt.«
»Ich habe ihn mit etwas Grottenschimmel besprüht, damit ihr gut schlaft.« Tante Karpa lächelte Elvira und Mihai zu.
Mihai lächelte zurück.
Elvira nicht.
»Für Daka, Silvania und Helene haben wir Luftsärge aufgeblasen. Sie stehen oben in der nächsten Etage«, sagte Vlad Tepes.
Daka hob sofort ab und flog eine Etage höher. »Boibine!«, rief sie. Drei Luftsärge standen in einer Reihe. Auf den dunkelblauen Kopfkissen lagen jeweils ein Waschlappen, ein Zahnstocher und ein Wurm. Das war ein Service! Besser war es im ›Vier Fleischmahlzeiten‹, dem Luxushotel von Bistrien, sicher auch nicht.
»Was ist boibine?«, fragte Silvania. Sie war ebenfalls nach oben geflogen.
Daka deutete auf die Kopfkissen. Sie schnalzte mit der Zunge. Dabei sabberte sie etwas auf ihr T-Shirt.
»He!«, rief Helene von unten. »Und wie soll ich zu meinem Luftsarg kommen?«
Die Zwillinge steckten die Köpfe über den Rand. Sie sahen nach unten ins Wohnzimmer. Helene hatte recht. Sie hatten ein Problem. Natürlich gab es in einem Budnyk, der Wohnung einer Vampirfamilie, keine Treppen oder Fahrstühle. Wozu? Vampire konnten fliegen. Helene allerdings nicht. Und Elvira Tepes auch nicht.
»Schlotz zoppo!« Tante Karpa schlug die Hände über dem goldblonden Haarturm zusammen. »Das habe ich vergessen. Natürlich bringen wir für unsere flugunfähigen Gäste noch Strickleitern an.«
»So.« Mihai Tepes rieb sich die Hände. »Jetzt ist es aber wirklich höchste Zeit für ein kleines Begrüßungsgläschen.«
Sein Bruder Vlad nickte, holte eine Flasche Karpovka und ein paar Gläser aus einer Nische, die ins Gestein gehauen war.
Tante Karpa goss Woiwo, Helene, Daka und Silvania dunkelroten Waldbeerensaft ein.
Nachdem sich alle im Wohnzimmer um den Insektentisch versammelt hatten, räusperte sich Vlad Tepes. Er hob sein Glas und sagte: »Mein geliebter Bruder, meine hochgeschätzte Schwägerin, meine kostbaren Nichten und meine sehr geehrte Helene, du Menschlein.« Vlad Tepes sah jeden der Reihe nach an. Das Auge hinter dem Monokel funkelte grün, das andere orange. »Wir freuen uns außerordentlich, euch zu Gast zu haben und die Gastfreundschaft, die ihr uns in Bindburg erwiesen habt, zu erwidern. Vergesst nie: Unser Budnyk ist euer Budnyk. Erheben wir also die Gläser! Möge diese Woche voller Wiedersehensfreude, harmonischen Beisammenseins und beeindruckender Erlebnisse sein!«
Alle taten, was Vlad Tepes gesagt hatte. Sie erhoben die Gläser. Mihai Tepes hätte am liebsten sein Lieblingslied angestimmt. Es hieß ›Transsilvania, rodna inima moi‹. Es hatte vierzehn Strophen. Mihai Tepes liebte jede einzelne davon. Aber er liebte auch seine Familie. Nach der
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