Ferien mit Mama und andere Katastrophen
Unsere Jungs daheim würden kaum auf die Idee kommen, sich für ein Mädchen so anzuziehen.
»How old?«, wollte Nikos wissen.
»Fifteen«, nuschelte ich.
Da zeigte er auf sich. »Sixteen.«
Du lieber Himmel, das war, als würde ich mich mit einem aus der Zehnten treffen! »Machen Trip?«, fragte er, als er seine Zigarette aufgeraucht hatte.
Und da war es wieder, dieses komische Magengrummeln. Einen Ausflug? Jetzt? Mitten in der Nacht? Aber ich hatte schließlich gesagt, ich wäre fünfzehn.
Er holte einen Schlüsselbund aus seiner Jacke. »Like drive?«
»Mit dem Auto?«, schoss es aus mir heraus.
Womit denn sonst, Sophie? Mit dem Schulbus? Zum Glück hatte er mich nicht verstanden. Er stand auf und klopfte sich den Sand von seiner Jeans. Ich hätte immer noch gehen können, aber ich wollte mich nicht blamieren. Also ging ich mit.
Wir liefen ein kleines Stück am Strand entlang. Mit einem Seitenblick sah ich Zadek auf dem Balkon seine Übungen machen, das Zimmer daneben war dunkel. Hinter dem Hotel folgten wir einem schmalen Weg zur Straße hinauf. Mir war mulmig zumute, doch ich wagte nicht, stehen zu bleiben, um Nikos in der Dunkelheit nicht zu verlieren. Der Weg führte am Hinterausgang der Hotelküche vorbei, wo es ziemlich ranzig roch. Zwischen den Tonnen huschten kleine Schatten. Nikos ging jetzt schneller. Ich stolperte hinter ihm her.
Als das Hotel außer Sichtweite war, bogen wir zu einem wilden Parkplatz ab. Dort stand ein Motorrad. Selbst in dem Schummerlicht sah man die Chromteile blitzen. Nikos wischte mit seinem Jackenärmel über die Sitzbank und sagte einladend: »Parakalo, Lady!«
Dann ließ er die Maschine an. Ein röhrender Lärm donnerte durch die Nacht. Ich fürchtete schon, dass das halbe Hotel zusammenlaufen würde. Doch nur ein Schwarm aufgeschreckter Fledermäuse änderte eilig seinen Kurs. Nikos stieg gut gelaunt auf. Ich stand mit diesem flauen Gefühl im Bauch noch immer daneben.
Stirnrunzelnd drehte er sich um. Bestimmt fuhr er gleich ohne mich ab, wenn ich noch lange überlegte. Er zeigte auf meine langen Haare. Ich schüttelte den Kopf. Unsere Kommunikation war eine einzige Katastrophe! Schließlich zog er ein Tuch aus seiner Jacke und hielt es mir hin. Wenn das Motorrad noch lange röhrte, hatten wir bald die ganze Reisegruppe hier.
Rasch band ich mir das Tuch um und stieg zu ihm auf die Rückbank. Im selben Moment raste er auch schon los. Ich konnte mich gerade noch an ihm festhalten. Mir blieb gar nichts anderes übrig, als ihm mit beiden Armen um den Bauch zu fassen und mich gegen ihn zu pressen.
Wir flogen über die Küstenstraße. Irgendwo links unter uns rauschte das Meer. Der warme Wind zerrte an meinen Sachen und wirbelte mir die freien Ponyhaare ins Gesicht. Jetzt verstand ich auch, wozu dieses alberne Kopftuch gut war.
Nikos rief mir schreiend etwas zu, das ich aber nicht verstand. Manchmal kamen uns Autos entgegen. Der Windwirbel riss uns jedes Mal ein Stück zur Seite, sodass ich mich noch enger an ihn presste. Lange konnten wir nicht mehr so dahinrasen, denn mir taten schon die Arme weh.
Schließlich bog Nikos von der Straße ab. Das Motorrad rollte langsam durch einen wilden Olivenhain. Wie Gespenster ragten die alten Bäume in der Dunkelheit auf. Toll gemacht, Sophie. Mit einem Wildfremden mitten im Nirgendwo.
Als wir endlich hielten, kletterte ich mit zitternden Beinen vom Rücksitz. Sofort fiel das Gebrüll der Zikaden über uns her. Nikos nahm meine Hand und ging einfach mit mir los. Als er nach ein paar Schritten eine quietschende Eisentür öffnete, fiel ich fast in Ohnmacht. Was wurde das denn? Ich riss die Augen auf.
Wir standen auf einem Friedhof, aber was für einem! Lagen hier die Zyklopen beerdigt, diese einäugigen griechischen Monster? Manche der Gräber sahen aus wie Häuser. In die hohen Grabsteine waren kleine Glastüren eingelassen, hinter denen Kerzen und Öllampen brannten. Mir schlug das Herz bis in den Hals. Nikos zog mich sanft weiter. Was hatte er denn vor?
Schließlich machte er es sich auf einer Marmorplatte gemütlich. Er zog seine Jacke aus und klopfte auf den freien Platz neben sich. Wenn ich mich nicht sofort hinsetzte, würde ich eh gleich bewusstlos auf den Boden knallen. Also hockte ich mich zu ihm auf die Kante der warmen Steinplatte.
Sophie Fischer, dachte ich. Dein allererstes Date findet auf einem Friedhof statt. Hat das was zu bedeuten? Plötzlich war mir, als erklänge zwischen den Grabreihen ein leises Kichern.
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