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Ferien mit Mama und andere Katastrophen

Ferien mit Mama und andere Katastrophen

Titel: Ferien mit Mama und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kasch
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allererste Date nicht Anlass genug?
    Als ich die Bluse über den Kopf zog, stöhnte Mama leise im Schlaf. Ich machte mich eiligst davon. Leider endete der ganze Ausflug schon an der Zimmertür, denn der verdammte Schlüssel war plötzlich verschwunden. Wo hatte ich ihn vorhin bloß hingeworfen? Keine Ahnung. Aber ohne Schlüssel kam ich später nicht mehr unbemerkt hinein.
    Also musste nun der geheimnisvolle Inhalt meines Koffers zum Einsatz kommen. Als hoffnungslose Kandidatin für Katastrophen aller Art hatte ich nämlich die Strickleiter von meinem Hochbett mitgenommen. Ich weiß, kein Mensch fährt mit einer Strickleiter in den Urlaub. Sophie Fischer schon. Denn in Ermangelung jeglicher Urlaubsspaßgeräte hatte ich vorgehabt, mir am Strand wenigstens so eine Art Hängematte draus zu bauen. Doch gab es hier weder Palmen noch andere Bäume, um sie aufzuhängen, nur Mütter mit altmodischen Vorstellungen, wann eine Vierzehnjährige abends noch wegdurfte. Nämlich gar nicht.
    Ich zog leise meinen Koffer unter dem Bett hervor und trug die Strickleiter auf Zehenspitzen auf den Balkon. Mittlerweile ging die Sonne unter, was mir ganz recht war, denn ich brauchte für meine Aktion nicht unbedingt Zuschauer.
    Unser Zimmer lag im ersten Stock. Das beruhigte mich aber wenig, als ich die Strickleiter vorsichtig hinabließ und am Balkongeländer festband. Irgendwie traute ich meiner Idee nicht ganz. Besser, ich probierte sie gleich aus, ehe ich nachher im Dunkeln eine Überraschung erlebte. Luise hätte mich wahrscheinlich für komplett verrückt erklärt, wenn sie mich jetzt hätte sehen können. Aber was tat man nicht alles für sein erstes Date.
    Das Geländer gab ein knackendes Geräusch von sich, als ich mich auf die Metallbrüstung setzte. Noch hielt ich mich mit den Händen am Geländer, doch irgendwann kam der Moment, wo mein ganzes Gewicht an der Strickleiter hing. Eine Weile wagte ich nicht, mich zu bewegen. Doch als nichts passierte, kletterte ich hinab. Ich war schon fast unten angekommen, als ich über mir ein Räuspern hörte. Erschrocken hielt ich die Luft an. Gleich würde Mamas Stimme auf mich niederdonnern, ob ich denn von allen guten Geistern verlassen wäre.
    »Ich hoffe, es ist für einen guten Zweck«, flüsterte jemand.
    Ich erstarrte. Zadek hing grinsend über der Brüstung seines Balkons. Wahrscheinlich wollte er gerade wieder seine komischen Mondscheinverrenkungen beginnen, als er mich entdeckt hatte. Was sollte ich denn jetzt machen? Ich baumelte wie eine Idiotin zwischen Himmel und Erde.
    Als ich nichts sagte, wünschte er mir noch einen schönen Abend und zog sich leise zurück. Die letzten drei Stufen ließ ich mich einfach fallen. Ich landete auf dem frisch gemähten Rasen und machte mich dann schnell an den Strand davon.
    Ich versteckte mich erst mal hinter einem Stapel aufgeschichteter Sonnenliegen. Nikos hatte ja nicht geschrieben, wo wir uns trafen. Und so wartete ich darauf, dass er irgendwo auftauchte. Aber als ich so allein im Dunkeln saß und dem ohrenbetäubenden Gezirpe der Zikaden lauschte, da wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass ich diesen Nikos eigentlich gar nicht kannte.
    Luise würde sagen: »Mal wieder keine Minute vorher überlegt, Sophie Fischer.« Aber wie sollte ich auch? Den ganzen Tag über war ich mit der Frage beschäftigt gewesen, wie ich Mama entkam.
    Aber ehe mich die Panik vielleicht wieder die Strickleiter hinaufgejagt hätte, hörte ich plötzlich Schritte durch den Sand knirschen.
    »Zofi«, flüsterte eine Stimme.
    Ich drückte mich an den Liegenstapel, doch da hatte er mich schon entdeckt.
    »Hi«, sagte Nikos.
    »Hi«, krächzte ich.
    Und dann herrschte ein ziemlich langes Schweigen. Schließlich setzte er sich zu mir in den Sand. Da ging dann das Schweigen im Sitzen weiter. Nikos zündete sich eine Zigarette an und wollte mir auch eine geben, doch ich schüttelte den Kopf.
    »Germany?«, fragte er schließlich zwischen zwei Zügen.
    »Hm«, erwiderte ich. »And you?«
    »Crete.«
    Na, was für ein tolles Gespräch. Aber während wir so dasaßen, beruhigte ich mich langsam wieder. Für mein erstes Date hielt ich mich ziemlich gut, fand ich. Zum Glück hatte ich Mamas Bluse an. Es konnte also eigentlich nichts schiefgehen. Nach einer Weile rückte Nikos ein Stückchen zu mir heran. Er roch wahnsinnig gut nach Ich-weiß-nicht-was . Trotz der Hitze trug er eine Lederjacke und Stiefel und sein weißes Hemd blitzte in der Dunkelheit. Das glaubte mir Luise nie.

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