Ferien mit Mama und andere Katastrophen
Hände. »Jeder griechische Prinz ist ihr verfallen!«
Margarete stieß ihn in die Seite. »Horst-Dieter, halt keine Volksreden. Wir lichten den Anker!«
Womit schon einmal geklärt war, wer an Bord das Sagen hatte. Margarete hatte sich zu ihrer kurzen weißen Hose und dem geringelten T-Shirt eine Kapitänsmütze aufgesetzt. Kubasch und Horst-Dieter trugen ebenfalls seemännisch gestreift. Nur wir anderen sahen aus wie die Landratten mit unseren kurzen Röcken und Wanderhosen und beäugten etwas misstrauisch das riesige Schiff.
»Keine Sorge«, beruhigte Margarete uns, »Segeln ist eine schöne Sache.«
»Ihr müsst auch nichts machen«, fügte Kubasch hinzu.
Also kletterten wir alle an Bord und verstauten unsere Taschen und Badesachen. Die Helena war wirklich ein schönes Schiff. Sie war völlig aus Holz und in der Mitte gab es eine kleine Kabine, an der auch das Steuerrad befestigt war. Sie musste gerade frisch gestrichen worden sein, denn das Holz funkelte noch unter dem farblosen Lack. Jedenfalls machte sie einen ganz vertrauenswürdigen Eindruck.
Während wir es uns auf den Seitenbänken im Heck gemütlich machten, fuhr die Helena mit leise tuckerndem Motor aus dem Hafen. Mama hatte einen Arm um mich gelegt und ihre Beine ausgestreckt. Ich spürte, wie langsam die Anspannung der letzten Nacht von ihr abfiel.
»Ist das nicht schön«, seufzte sie.
Das war es wirklich. Der warme Wind wehte uns ins Gesicht, sodass ich die Augen schloss und mich von den Wellen schaukeln ließ. Es roch nach Meer und Salz und unendlicher Ferne. Ich war am schönsten Ort der Welt, doch plötzlich musste ich weinen, ich konnte gar nichts dagegen tun. Ich heulte. Mama drückte mich fest an sich.
»Es ist vorbei, Sophie«, versuchte sie, mich zu trösten.
»Genau«, schniefte ich, »es ist vorbei!«
Ich hockte auf diesem verdammten Segelschiff und vertat damit meine letzte Chance, Nikos zu finden. Es war mir in dem Moment egal, ob mich die anderen langsam für eine Heulsuse hielten. Am liebsten wäre ich über Bord gesprungen und an Land geschwommen, doch dafür waren wir schon zu weit vom Ufer entfernt. Kubasch hatte begonnen, mit Altgriechisch die Segel zu setzen.
Zadek drückte mir ein Taschentuch in die Hand. Er schien zu ahnen, was in mir vorging, aber er konnte mir auch nicht helfen. Als das schwere Segeltuch knatternd in den Wind sprang, klatschten alle. Der Musiklehrer aus Hamburg stimmte eine Melodie an und dann sangen alle ein blödes Seemannslied. Nur Zadek und mir war nicht nach Singen.
Ich starrte aufs Ufer, das sich immer weiter entfernte. Das kleine Fischerdorf samt unserem Hotel war bereits hinter einem Gebirgsvorsprung verschwunden. Keine Ahnung, wohin Margarete uns manövrierte. Es war mir auch egal.
»Ich dachte, wir schauen uns die Insel mal ein wenig von einer anderen Seite an«, sagte Kubasch, nachdem der Wind sich mit aller Kraft in die Segel geworfen hatte und das Boot losschoss wie eine Rakete.
Mit Schauen war da aber nicht mehr viel. Das Wasser spritzte an allen Seiten hoch, was bei der Hitze jedoch eine angenehme Abkühlung brachte.
»Es gibt eine schöne Bucht in der Nähe!«, rief er gegen den Wind. »Da können wir auch baden, wenn wir wollen!«
Von wegen schöne Bucht. Ich starrte auf die schroffe Küste, an der wir entlangschipperten. Überall ragten scharfe Felsen aus dem Wasser und dahinter ging es gleich steil hinauf. Und außerdem wollte ich überhaupt nicht baden. Ich wollte an Land.
Der Rest der Truppe hatte sich aber schon dem Wind und der Sonne ergeben. Zadek hatte sich nach vorn in die Bootsspitze verzogen. Er wollte offensichtlich allein sein, was auf einem Kahn mit fünfzehn Leuten gar nicht so leicht war. Aber zum Glück waren alle ziemlich erledigt und jeder döste irgendwie vor sich hin. Nur unsere Segelcrew war munter im Einsatz.
Ich setzte mich in den Schatten der kleinen Kajüte und beobachtete das Ufer, das neben uns dahinflog. Immer mal wieder tauchte über uns die schmale Küstenstraße auf, die sich zwischen den Bergen dahinwand.
Plötzlich sah ich etwas in der Sonne aufblitzen. Das Segelboot änderte in dem Moment seinen Kurs, sodass ich in seinem Windschatten zu sitzen kam. Und da hörte ich auch ein Geräusch. Etwas brummte über die Straße. Nun ist ein brummendes Geräusch auf einer Straße ja nichts Ungewöhnliches, aber es war ein Motorrad, das da brummte. Es musste uns schon eine Weile folgen, denn ich hörte den Sportlehrer auf einmal rufen: »Das muss
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