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Ferien mit Mama und andere Katastrophen

Ferien mit Mama und andere Katastrophen

Titel: Ferien mit Mama und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kasch
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dem kleinen stinkenden Eimer in der Ecke zu tun. Dem Kunstlehrer schien es ähnlich zu gehen.
    »Ich dreh mich um«, sagte er verlegen. »Willst du zuerst?«
    Das war ja nett von ihm, doch dann hatte mich immer noch der Polizist im Blick.
    Der Kunstlehrer stellte sich dicht an die Gittertür: »Hallo, Herr Polizist«, sagte er höflich, »die junge Dame würde gern das Örtchen benützen.«
    Der Herr Polizist rührte sich aber nicht, er war in seine Zeitung vertieft.
    Kubasch sagte etwas auf Griechisch zu ihm, worauf er nur die Schultern zuckte. Mann, war mir das peinlich! Kubasch wiederholte seinen Satz noch einmal. Da nahm der Polizist schließlich seine Zeitung hoch. Der Kunstlehrer lächelte zufrieden und stellte sich mit dem Gesicht zu dem kleinen Zellenfenster, hinter dem es jetzt Nacht wurde. Ich glaube, alle in der Polizeistation lauschten dem Geräusch, das jetzt folgte.
    Als ich mich wieder auf die Pritsche hockte, sagte der Kunstlehrer: »Gerade in Extremsituationen muss man seine Würde bewahren.«
    Komische Type, dieser rothaarige Düsseldorfer. Extremsituationen haben aber noch eine andere Eigenschaft, wie sich herausstellte. Sie befreien einen von überflüssigem Benimmballast. Und so hieß der etwas seltsame Herr Feldmann aus Düsseldorf nach Mitternacht nur noch Kurt, Lehrer außer Dienst. Sympathisch wurde er mir dadurch zwar immer noch nicht, aber er überließ mir netterweise die schmale Pritsche, setzte sich selbst auf den nackten Steinboden und lehnte sich an die Wand.
    Der Polizist schien langsam genug von diesem Tag und wohl auch von uns zu haben. Er knipste einfach das Licht aus.
    Durch die Stille hörte ich Mama flüstern: »Gute Nacht, Sophie!« Auch von nebenan kam ein: »Schlaf gut, Mädchen!« Zadek schloss sich an, ebenso Margarete und Alt-griechisch. Selbst der Hamburger Sportlehrer, der sonst nie etwas sagte, wünschte mir eine gute Nacht. Ich schluckte.
    Und dann war es still, nichts und niemand rührte sich mehr. Ich lag auf der Pritsche und starrte an die Decke. Irgendwie kam mir das alles total unwirklich vor, diese Zelle mit dem Polizisten davor, Kreta, überhaupt der ganze Urlaub, verrückt und durchgeknallt.

Auf dem Flur dämmerte noch das blassblaue Licht der Nacht, als plötzlich unsere Gittertür aufgeschlossen wurde und eine riesige Frau erschien. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich noch immer träumte. War das Hekate? Die Frau verteilte Wasser in Pappbechern und frische Brötchen. Ich machte mich mit Kurt sofort über das Frühstück her. Meine Laune besserte sich im selben Augenblick.
    Kurt schien es ähnlich zu gehen. Er reckte und streckte sich. »Mal sehen, was sie heute mit uns anstellen«, sagte er und zwinkerte mir zu.
    Plötzlich ertönte Geschrei. Eine ältere Frau in Schwarz stürmte mit einem Korb die Wachstube, worauf der Polizist sogleich hinter seinem Schreibtisch in Deckung ging. Wie sich herausstellte, war sie die Mutter unseres Busfahrers. Sie hatte erst jetzt erfahren, dass man ihren Sohn wegen einer verrückten Ausländerin verhaftet hatte. Misstrauisch lief sie jetzt an den Zellen vorbei und wollte wissen, wer ihren Sohn in diese Lage gebracht hatte. Doch niemand sagte etwas, nicht einmal der Busfahrer.
    Schwer atmend ließ sie sich schließlich auf einen Stuhl neben dem Schreibtisch fallen. Mir war schlecht und mein Herz raste. Hier war man ja nicht mal in einer Gefängniszelle sicher.
    Der Polizist nutzte den kurzen Moment ihrer Schwäche und flößte der Frau einen Schnaps ein, den er aus seinem Schreibtisch holte. Und als sie nicht protestierte, noch einen zweiten. Zum Schluss nahm er selbst einen. Dann griff er nach dem Korb und kam damit zu uns. Er war bis oben hin mit Trauben, Orangen und belegten Broten gefüllt. Jeder konnte sich nehmen, so viel er wollte. Ich stopfte mich mit Trauben voll.
    Unsere gute Laune hielt aber nicht lange an, denn kurz darauf betrat ein Mann mit jeder Menge Orden und Abzeichen die Wachstube. Rasch ließ der Polizist den Korb unter seinem Schreibtisch verschwinden.
    Zuerst holten sie Kubasch aus der Zelle. Er lächelte mir zu, als er dem Polizisten folgte. In Anbetracht unserer Lage hatte er unverschämt gute Laune.
    Was dann passierte, war absolut unverständlich. Der Obersheriff umarmte Kubasch, er küsste und drückte ihn und dann setzten sie sich zu dem Polizisten an den Schreibtisch.
    »Was machen die denn da?«, flüsterte Kurt aufgeregt.
    Woher sollte ich das wissen? Der Einzige, der hier etwas verstand,

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