Ferien mit Mama und andere Katastrophen
Johannes zu ihm sagen? Er zuckte mit den Schultern. Aber die anderen waren nicht mehr zu bremsen. Vielleicht lag es auch an der Erleichterung, dass wir alle mindestens zehn Jahren Festungshaft entronnen waren.
Nach der großen Verbrüderung fiel ihnen plötzlich ein, dass ja noch eine Entschuldigungsrede fällig wäre. Mama wurde sofort knallrot im Gesicht. Nicht, dass sie nicht reden kann, das kann sie stundenlang, doch die geballte Lehrerschaft musste angesichts ihres schweren Vergehens wie ein Strafgericht auf sie wirken.
In Millimetergeschwindigkeit schraubte sie sich von ihrem Stuhl hoch und schaute etwas hilflos in die Gegend. Kubasch lächelte ihr aufmunternd zu, was es aber nur schlimmer machte, denn sie stotterte irgendetwas zusammen, das nicht einmal ich verstand.
Doch schließlich gab sie sich einen Ruck und sagte im klarsten Kellnerdeutsch: »Liebe Gäste, liebe Mitreisende! Es tut mir sehr leid, dass ihr meinetwegen so eine Aufregung mitmachen musstet. Es war nicht meine Absicht. Ich schwöre euch, künftig die Finger von der Kunst zu lassen, und lade euch herzlichst zu einem Entschuldigungsdrink ein.«
Geht doch, dachte ich.
Sie winkte dem Kellner, doch die Bar war zu so früher Stunde noch geschlossen. Da flüsterte sie ihm etwas ins Ohr, worauf er schulterzuckend nickte. Und so stellte Mama sich selbst hinter den Tresen und mixte für die ganze Runde Cocktails. Zur Feier des Tages gab es Blue Haven .
Die Lehrer staunten nicht schlecht, als sie mit den blau schimmernden Drinks auf dem Tablett um den Tisch schwebte. Blue Haven hatte die Farbe des Himmels und des Meeres, eingefangen in einem funkelnden Glas. Nur ich bekam mal wieder Saft. Da kannte sie keine Diskussion. Die Entschuldigung wurde reihum prostend angenommen.
Als Kubasch sagte: »Ich glaube, den freien Tag, den haben wir uns heute wirklich verdient«, machte niemand auch nur Anstalten, sich in Richtung dieses freien Tages zu bewegen. Sie blieben alle sitzen.
Kubasch schüttelte den Kopf. »Ehrlich, Leute, ihr seid die verrückteste Reisegruppe, die ich je hatte.«
Das glaubte ich ihm sofort aufs Wort.
»Ich geh dann mal«, verabschiedete er sich. »Ich brauche dringend eine Dusche.«
Auch ich hatte das Bedürfnis nach Wasser und Schlaf. Doch Blue Haven schien in einigen Lehrern etwas geweckt zu haben, das sie sich bei uns Schülern immer wünschen, selbst aber auch nicht hinbekommen: den Traum von einer innigen Gemeinschaft.
»Was haltet ihr davon«, sagte Altgriechisch, »wenn wir nachher zusammen segeln gehen? Wir könnten im Hafen unten ein Boot mieten. Damit wäre der Tag zumindest halbwegs gerettet.«
Von dieser Idee waren alle sofort begeistert. Mama und ich schauten uns nur an. Wir waren nicht gerade die geübten Hochseesegler, sondern eher von der lahmen Teichbootsorte. Aber es gab kein Kneifen. Blue Haven , wir kommen!
»Dann um vier am Hafen unten!«, sagte Altgriechisch.
Wir hatten genau noch drei Stunden bis zu unserem Segeltörn. Oben auf der Treppe begegnete mir noch einmal Kubasch. Trotz allem konnte ich irgendwie nicht glauben, dass uns allein sein Erzähltalent gerettet haben sollte. Auf meine Frage lächelte er verlegen.
»Du weißt doch, Sophie«, sagte er, »alle Griechen sind miteinander verwandt. Der Polizeichef war Georgias Onkel. Er hat damals sehr bedauert, dass seine Lieblingsnichte in die Staaten abgedampft und nicht mit mir auf Kreta geblieben ist.«
Das erinnerte mich auf einen Schlag wieder an Nikos.
»Aber wer weiß«, sagte er, bevor er in seinem Zimmer verschwand, »man soll die Hoffnung nie aufgeben.«
Kubasch hatte gut reden. Wir waren noch genau drei Tage auf Kreta. Was sollte da noch groß passieren? Hekate hatte eindeutig versagt. Bestimmt hatten wir sie beleidigt, weil wir ihr kein echtes Opfer gebracht hatten. Und das war nun die Strafe.
Dass Segeln eine Sache für sich ist, hatte ich mir schon gedacht, bevor wir uns im Hafen versammelten. Die Lehrer waren noch immer wild entschlossen, obwohl niemand wirklich ausgeschlafen aussah. Es gab nur ein Problem.
»Segelkundige vortreten«, sagte Altgriechisch, als wir alle vor dem großen Zweimaster standen, der friedlich an der Hafenmauer dümpelte.
Doch außer Kubasch und Margarete rührte sich niemand, nicht einmal Zadek, von dem ich bisher gedacht hatte, dass er alles könne.
»Ach, das macht nichts«, meinte Kubasch schließlich, »man kann die Helena auch zu dritt segeln!«
»Die schöne Helena«, Altgriechisch klatschte in die
Weitere Kostenlose Bücher