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Ferien mit Patricia

Ferien mit Patricia

Titel: Ferien mit Patricia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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wichtige Mission vorgaukelnd, phantasierte er etwas von einem General und behexte so einen alten geschäftigen Bahnbeamten am Fahrkartenschalter, daß er ihm zwei Plätze in einem Schlafwagen nach Glasgow gab.
    Pat stand währenddessen mit offenem Mund daneben, voller Bewunderung für die prächtigen Lügen, die Jerry so leicht von den Lippen kamen.
    Als der Zug einfuhr, machten sie die Entdeckung, daß ihre erkämpften Karten auf nichts anderes lauteten als auf zwei nackte Pritschen in einem Dritter-Klasse-Abteil für vier Personen. Die ganze Ausrüstung bestand aus einem überzuglosen Drillichsack, einer dünnen Decke und einem ebenfalls nicht überzogenen Kissen, das die Größe und auch die Härte eines Buches hatte. In dem Abteil befanden sich noch zwei andere Reisende, nämlich ein geschwätziger Handelsvertreter mit einem Köfferchen voller Äpfel und Tomaten, die er unbedingt mit ihnen teilen wollte, und ein dicker kleiner Beamter aus dem Informationsministerium, der sich unruhig auf seiner Pritsche hin und her wälzte und so schnarchte, daß ein Toter wieder zum Leben erwacht wäre.
    Pat behauptete, dies sei die Rache des Schalterbeamten für die hemmungslosen Lügengeschichten, die Jerry ihm aufgetischt hatte, und versuchte, Jerry von der Idee abzubringen, wieder auszusteigen, um dem armen Teufel an den Kragen zu gehen. Der Beamte aus dem Informationsministerium erwachte und erklärte Jerry, daß er sich glücklich schätze, überhaupt einen Platz erhalten zu haben, und daß in ein Dritter-Klasse-Abteil immer vier Personen gesteckt würden, und im übrigen verlaufe eine solche Reise für jedermann gewöhnlich ganz vortrefflich. Jerry war höchst entrüstet und erklärte dieses System für unmoralisch, bis Pat wieder zu kichern begann und Jerry errötete. Dann brachte er sie auf der ersten Pritsche unter und stopfte ihr seine Jacke unter den Kopf, kletterte hinauf und legte sich selbst auf der oberen Pritsche zur Ruhe.
    Dort lag er nun in der Dunkelheit und lauschte dem Rattern des Zuges und dem gelegentlichen ängstlichen Kreischen der Lokomotive und dem unglaublichen Geschnarche des Mannes aus dem Informationsministerium.
    Alles in allem war es eine schreckliche Reise, und sie hatten beide kein Auge geschlossen, bis der Zug, sechs Stunden verspätet, in Glasgow einfuhr.
    Und so kam es, daß sie die erste Nacht zusammen und allein in diesem großen, häßlichen Hotelzimmer verbringen mußten. Einer im Arme des andern schliefen sie wie müde Kinder ein, was sie ja auch waren, und alles war für sie versunken außer der tröstlichen Gegenwart des andern.
    Ein durchdringender Geruch von Kohlenrauch erfüllte das Zimmer, und die feuchte, regnerische Nacht erdröhnte vom Pfeifen und Schnauben der rangierenden Lokomotiven, vom Donnern und Krachen hin und her geschobener Wagen und vom Sirren der Lokomotivpfeifen. Jerry glaubte von alldem nichts zu hören, und doch stellte er später fest, daß er nie mehr den eigentümlichen Geruch von Wagenschuppen einatmen und nie mehr das Lärmen der rangierenden oder abseits wartenden Lokomotiven in der Nacht hören konnte, ohne an Pat zu denken.

    Von Balloch fuhren sie, mit ihren Fahrrädern an Bord, auf einem Dampfer den Loch Lomond hinauf nach Inversnaid.
    Hier, auf der weiten blauen Fläche des mit grünen Inseln gesprenkelten Sees war nichts vom Krieg zu spüren. Nicht einmal ein Flugzeug war am wolkenlosen Himmel zu sehen, und der anmutige Gipfel des Ben Lomond ragte ohne seinen üblichen Nebelmantel in der Sommersonne auf, und es schien, als ob er mit dem kühnen Schwung seiner Linien auch Pats und Jerrys Lebensgeister mit sich in den Himmel höbe.
    Die ganze Vergangenheit, die hinter ihnen lag, war durch die reine Schönheit dieses Bildes, durch den auf dem See glitzernden und von den grünen und rötlichen Hügeln reflektierten Sonnenschein und durch die saubere, weiche Luft ausgelöscht. Von wo sie gekommen waren und was sie hinter sich gelassen hatten, alles hatte aufgehört zu bestehen. Nur dies hier war die Welt, heiter und voller Schönheit, und sie waren ihre einzigen Bewohner.
    Sie standen an der Reling und tranken die reine Luft und die Schönheit, und Jerry hob seine Arme und sagte:
    »Jetzt möchte ich losjauchzen!«
    »Tun wir’s doch«, antwortete Pat, »eins... zwei... drei...«
    Und sie jauchzten, bis die andern Passagiere auf dem Schiff sich nach ihnen umdrehten und sie anstarrten. Dann kamen drei junge Flieger zu ihnen herüber und sagten:
    »So

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