Ferien mit Patricia
Filmstars.
»Die sehen ja aus wie Greta Garbo«, rief Pat. Aber Jerry war begeistert.
»Ich habe schon Bilder von großen Trinkhörnern gesehen«, sagte er. »Von denen stammen sie also. Was für ein herrliches Land! Nicht um alles in der Welt hätte ich auf diese Reise verzichten mögen. Oh, es wird mir unvergeßlich bleiben.«
Und in Hochstimmung fuhren sie weiter. Nur in Gedanken an die leicht dahingesprochenen, knabenhaften Worte Jerrys mußte Pat wieder gegen einen drohenden Schatten kämpfen. Es wird mir unvergeßlich bleiben, hatte er gesagt, und in diesem Augenblick der Schwäche erkannte Pat, wie sie sich danach sehnte, ihn sagen zu hören: Dich werde ich nie vergessen. Es genügte schon, wenn er es nur sagte, damit die Worte ausgesprochen waren und sie sie wie Kostbarkeiten in ihrem Herzen bewahren konnte, auch nachdem er sie schon lange vergessen haben würde.
Sie blieben in dem schönen Trossachs-Hotel beim Loch Ach-rey, um ein wenig auszuruhen und miteinander in der wilden Schönheit der Umgebung herumzustrolchen. Jerry schmeichelte der bereits bejahrten und etwas mürrischen Bardame eine Flasche kostbaren Whisky ab, indem er behauptete, sie habe etwas an sich, das ihn an Claudette Colbert erinnere. So hatten sie einen kleinen Vorrat für Notfälle.
Aber am nächsten Abend erlitt Jerry, ohne daß er hätte sagen können, wie es kam, einen der üblichen Anfälle von Fliegerkater, die ihn geradezu zwangen, sich zu betrinken, und zwar möglichst schnell und möglichst gründlich...
Ohne irgendwelche Vorzeichen packte ihn eine düstere Stimmung von verwirrender Traurigkeit und wachsender Mutlosigkeit und drückte ihn bis zur Unerträglichkeit nieder.
Es hing dies zusammen mit Krieg, Furcht und Tod, dem Rattern der Gewehre, brennenden Flugzeugen, dem Stöhnen verwundeter Männer, den Lücken, die in die Reihe der Freunde gerissen wurden, mit dem Verlust von Kameraden, die nicht mehr zurückkehrten, und mit dem Mitleid, das in den Herzen dieser Männer wohnte und dem sie nicht entfliehen konnten, da sie ja von Natur aus nicht Zerstörer waren.
Wie gewöhnlich begann es mit einem Gedanken, einer Erinnerung, einem Wiedererleben irgendeines schrecklichen Augenblicks, was, wie bei der Explosion eines Munitionszuges, unweigerlich immer qualvolles Entsetzen in ihm auslöste. Und er besaß nicht die Kraft, diese Erinnerungen niederzukämpfen. Er hatte herausgefunden, daß es nur ein einziges Mittel dagegen gab, das darin bestand, so rasch als möglich völlig betrunken zu sein, bevor er in den tiefsten Abgrund der Verzweiflung hinabgestürzt war.
Sie hatten sich nach dem Abendessen in eine gemütliche Ecke gesetzt und machten sich über die andern Gäste lustig, schottische und englische Ferienreisende, Soldaten in Zivil auf Urlaub mit ihren Frauen, Marineoffiziere und wohlhabende Leute, die sich aus dem zerbombten Süden hierher geflüchtet hatten, und knorrige Einheimische in groben Kleidern, die alle versuchten, einen amerikanischen bunten Abend zu verstehen, der im Radio übertragen wurde. Auf einmal leerte Jerry sein Glas mit einem merkwürdig nervösen Ruck und schenkte sich mit einer fast verzweifelten Bewegung sofort wieder ein, was Pat bis ins Herz er-, schütterte. Seine Hand zitterte, als er das Glas wieder an die Lippen führte.
Als sie seine Augen sah und den Widerschein des Schreckens, der in ihnen lag, begann ihr Herz sogleich mitzufühlen und mitzuleiden.
»Jerry«, sagte sie, »was quält dich, was ist los?«
Er antwortete nicht, ja, schien sie nicht einmal zu kennen. Pat hatte ihn noch nie zuvor so gesehen, und doch löste die gequälte Gehetztheit, mit der er sein Glas ergriff, in ihr eine Welle des Verständnisses aus. Sie gehörten ja derselben Generation an und erlebten denselben Krieg. Was ihn auch quälen mochte, sie wußte, er brauchte Hilfe, und zwar gleich.
Stillschweigend schenkte sie ihm wieder ein, und als er das Glas geleert hatte, füllte sie es von neuem. Und immer wieder goß sie ein, bis Jerry vornübersackte und de nKopf auf den Tisch legte. Dann warf sie den beiden am Nebentisch sitzenden rotwangigen Matrosen einen Blick zu, die denn auch den Hilferuf sofort verstanden und herüberkamen.
»Können wir irgendwie behilflich sein, Fräulein?«
»Ich möchte ihn gern hinaufbringen...«
Mit der Miene erfahrener Männer, die eine solche Arbeit nicht zum ersten Male verrichteten, stellten die beiden Matrosen Jerry auf die Beine, nahmen ihn in die Mitte und gingen mit ihm
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