Ferien vom Ich
muß Ihnen sagen, daß mir das gar nicht paßt, daß ich John heißen soll.«
»Wieso - wieso?« fragte ich verwundert.
»Ja, das hat mich verdrossen. Ein Kerl namens John hat mich nämlich mal furchtbar geärgert. Er hat die Frau geheiratet, die ich heiraten wollte. Ich mag nicht John heißen. Ich habe mir ein Adreßbruch geben lassen und nach einem einfachen,
aber nicht zu häufigen Namen gesucht. Ich will Zuschke heißen.«
»Sie wollen Zuschke heißen? Warum - wieso - wo wollen Sie Zuschke heißen?«
»In Ihrem Sanatorium natürlich - in Ihrem Ferienheim -«
»Aber, Mister Stefenson, es existiert doch nicht, es ist doch ein Phantasiegebilde - eine Utopie -«
Da sah er mich fest an.
»Es wird existieren; denn wir werden es zusammen begründen.«
Ich schlug die Hände zusammen.
Der seltsame Mann hat mich verlassen. Geschäftsmäßig, trocken, sogar ein wenig mürrisch hat er mir auseinandergesetzt, wie er sich die Verwirklichung der Idee meines Ferienheimes denke. Als ich ihm abriet, das viele Geld, vor dessen Summe ich erschrak, zu wagen, da vielleicht unsere Zeit, auch das Volk hierzulande nicht geeignet sei für romantische Sonderbarkeiten, wurde er zornig und sagte:
»Wer eine Idee hat, soll an sie glauben, oder er soll gar nicht von ihr sprechen.«
Er nahm mich in den Bann der großen Kühnheit und Sicherheit seiner Seele, und ich willigte endlich ein. Zuletzt sagte Stefenson:
»Einen Kontrakt wollen wir nicht machen. Ich gebe das Geld, Sie geben die Idee und Ihre Kraft. Erzielt unser Unternehmen einen Gewinn, so werden wir ihn gerechterweise teilen; wenn nicht, dann sind Sie ein schlechter Arzt, und ich bin ein schlechter Geschäftsmann gewesen. Wir werden uns dann ohne gegenseitige Hochachtung, aber auch ohne feindselige Gesten voneinander trennen.«
Dann ging er. Ich saß an meinem Tisch, starrte die Platte an, lachte mal auf, trommelte mit den Händen, lief durchs Zimmer, legte mich aufs Sofa, rauchte Zigaretten und tat endlich was Vernünftiges - ich ging an die frische Luft. So mag einem Feldherrn zumute sein, der zur Führung einer Kriegsarmee berufen wird, oder einem Dichter, dessen großes Stück über die Bühne gehen soll, oder einer jungen Mutter, die ihr erstes Kindlein geboren hat. Mit einemmal das verwirklicht zu sehen, was bisher nur ein schöner Traum war, mit einemmal vor die größte und liebste Aufgabe des Lebens gestellt sein - wo wäre ein berauschenderes Glück?
Mein trautes Waltersburg! Wie warm liegt der Sonnenschein über deinen schrägen Dächern und alten Giebeln, wie schön singen die Spatzen am Johannisbrunnen, wie freundlich und gesund schauen die Kinder aus!
Warte nur, mein altes Waltersburg, für dich kommt, wie für das Dornröschen, ein selig Erwachen. Ich, dein Sohn, bin dein Ritter. Ich will dich küssen mit einem heißen, so lebenspendenden Kuß, daß alle Starrheit von dir fällt und du mitten in wonnigem Leben stehst!
Ich bin nicht August Bunkert; ich will dich, deutsche Maid, nicht zu einer weltmodisch aufgetakelten kokottenhaften Dame machen - der Träumerglanz soll in deinen Augen bleiben, der weiße Schimmer auf deiner Stirn, das schöne, stille Lächeln um deinen Mund, und du sollst doch in allen Landen berühmt werden als eine Wohltäterin der Menschen. Ja, das will ich, das verspreche ich, das verspreche ich dir! Das, was wertvoll in mir ist, habe ich ja von dir, du meine teuere Heimat! Draußen in der Welt, drüben in Neustadt, kann ich nicht wirken. Ein Zuschauer nur, stehe ich vor der bunten Bühne, und weil ich so lange und so oft zuschaute, täuscht mich keine Kulisse mehr; ich weiß: hinter den bemalten Wänden liegt unordentlich Gerümpel und geht rauhe Zugluft durch schlechtschließende Türen. Langsam wanderte ich zum Eulentor hinaus. Es geht da keine Chaussee; eine alte Landstraße führt ins Grüne. Am Hasenhügel setzte ich mich auf einen Stein. Mir gegenüber lag der Ostabhang des Weihnachtsberges. Über den Fluß ging der Blick auf ein Hochplateau von Wiese, Feld und Wald und stieg dann den Berg hinan. Das wäre der rechte Ort für mein Ferienheim.
Nur in Waltersburg kann ich den rechten Ort für mein Ferienheim finden, in dieser freundlichen, närrischen, gesunden Stadt! Wie Moses schaute ich in mein Gelobtes Land.
Luise
Es ist ein Brief angekommen, der mir die überschäumende Freude des Tages genommen hat. Die Pflegeeltern der Tochter Joachims haben geschrieben. Bei dem Scheidungsprozeß wurde die kleine Luise dem Bruder
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