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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
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mitzutun, darfst auf einen Bauernhof, darfst zunächst mal die Tauben füttern, den Hühnerstall nach Eiern absuchen und den Hund prügeln, wenn er eine Wurst gestohlen hat, und wenn auch das zu schwer ist, aufpassen, ob in den Nistkästen Sperlinge oder Stare wohnen.

    An die Bauernhöfe knüpfe ich meine größte Hoffnung: Ich möchte die in glitzernde, entnervende Ferne Gewanderten zum Erdduft und zur Einfachheit wenigstens in Ferienwochen heimführen. Es soll und es muß gelingen. Alle, die einmal Ferien vom Ich machen, die als neue, als ganz andere Menschen, losgelöst von allem, was sie drückte und knickte, auf einige selige Wochen zum Ausgangspunkte, zum Mutterschoß unseres Kulturlebens zurückkehrten - zum Bauern-, Hirten- und Fischerleben -, sie müssen mit gesünderem Herzblut in ihr Leben zurückkehren, sie müssen mehr gewinnen als durch Mineralwasser und Bäderzerstreuung.
    Die Hirten, Fischer und Jäger vergesse ich neben den Bauern nicht. Wenn da einer kommt, der vor dem Revolver stand, weil er überreizt war, der soll oben an der Ginsterheide die Kühe hüten. Den ganzen Tag wird er aufmerksam sein müssen, daß die Bullen sich nicht bekämpfen und daß glücksduselige Muttertiere mit ihren mutwilligen Kälbern nicht den nahen Klee zerstampfen, und abends wird der Mann einsam vor einem wohlig ausgestatteten Hirtenhäuslein sitzen, die wiederkäuenden Tiere werden um ihn sein, und die Sterne werden über ihm wandern und ewige Worte zu ihm reden; es wird aus Verlassenheit und Gram ganz allmählich Ruhe und Frieden werden, und in den Menschenhaß wird sich die Sehnsucht einschleichen: »Nächsten Sonnabend, wenn ich Urlaub habe, gehe ich in die Lindenherberge und sehe lustigen Menschen zu!« Oh, wie ich nach guten Bauern, so werde ich nach guten Ärzten suchen müssen. Nicht ihr ärztliches Wissen ist für mich in der Hauptsache maßgebend. Ob sie gute Psychologen, ob sie tiefe Menschenfreunde sind, danach werde ich fragen. Die Jäger - ach, die Jäger, wird es wohl heißen, sind sowieso gesund. Die zu uns kommen, sind es nicht. Nur die Stubenhocker werde ich auf die Pirsche schicken und nur die Zappeligen und Unruhigen auf den Rehbock mit dem bestimmten Geheiß, einen zu erlegen. Wie sie da ruhig sitzen werden, heute drei, morgen fünf Stunden lang. Immer vergebens. Und die Mücken werden stechen, und der Tau wird fallen. Und sie werden nicht schimpfen dürfen, wie sie es sonst tun. So auch mit den Fischern. Die Aufgeregten werden so lange angeln, bis sie befriedigende Beute bringen. Wessen Aufmerksamkeit wochenlang auf eine Federspule gerichtet gewesen ist, der hat sich ausgeruht und singt abends im Poetenwinkel sein Lied als einer der Andächtigsten der Lebensfreude.
    Bauernhäuser, Fischerhütten, Jäger- und Hirtenhäuslein, das werden in der Hauptsache die Wohnstätten meines Ferienheims sein. Das ist eigentlich mein ganzes Programm. Ich kann es keiner hochmögenden Kommission einreichen, aber eben darum hoffe ich, daß es gut ist. Im übrigen bekenne ich frei, daß ich mich auf Architektenkunststücke nicht verstehe. Ich habe trotzdem auf einer großen Karte unser ganzes Gelände aufgezeichnet und überall vermerkt, wo ein Bauernhof stehen soll, auch die Grenzen seines Bezirks bestimmt; ich habe die Hirtenhäuslein, die Milchstuben, die Fischerbuden angegeben, und zwischen all dem Hin und Her führen Stege und Landstraßen, alle krumm und winkelig, aber angemessen dem, was an Hebung und Senkung des Terrains und was an Baumschlägen, Hecken, Bächlein, Wald und Wiesenland da ist. Eine Umwallung werden wir kaum brauchen, das Plateau hebt sich gen Waltersburg natürlich ab, nur an der einen Stelle, wo das Gelände nach der Stadt eben übergeht, wollen wir eine Mauer und eine Pforte errichten. Neben der Pforte soll unser »Zeughaus« stehen. Dort wird der Ankömmling, der sich entschlossen hat, unsere Ferien zu üben, in seiner Zivilkleidung hineingehen, Kleider, Uhr, Geld, alles, was er bei sich trägt, auch seinen Namen ablegen, als neuer Mensch, neugekleideter Feriengast ein neues Leben beginnen. Das ist mein Plan. Ich weiß nicht, ob er so ausgeführt werden kann, ich weiß nur, daß er so ausgeführt werden sollte.

Das Kind

    Mitten in der Arbeit taucht viel öfter als mir lieb ist das Bild der kleinen Luise vor mir auf. Am Morgen nach dem Theaterabend, als ich das Kind im Hotel fand, war es ganz verängstigt, zitterte und weinte. Auf alle Fragen sagte es immer nur: »Ich will heim!« Zu den

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