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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
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in der Stadt mal satt haben und durch die Arbeit auf dem Felde gesünder werden wollen. Das ist eine gute Idee, die hat ein Doktor ausgeknobelt.«
    »Die Doktors verstehn alle nischt, die Schäfer sind klüger.«
    »Das mag wohl sein; aber der Doktor, der das ausgeknobelt hat, der versteht schon seine Sache. Sehn Sie, kurz heraus: es soll eine Kuranstalt gemacht werden, die hat vierzig Bauernhöfe, und auf allen Höfen sollen die Kurgäste arbeiten. Und der Mann, der jene Anstalt gründet, ist eben jener Herr dort.«
    »Der? - Vierzig Bauernhöfe? - Sie sind wohl nicht recht bei sich?«
    »Doch - doch - ich werd’ Sie doch nicht belügen.«
    »Wie heißt er? Mister? Mister - Ausmister!«
    Er lachte über seinen Witz.
    »Mister bedeutet >Herr<. Weil er eben ein Amerikaner ist.« Da erhob sich der Bauer. Er rief Stefenson an, der an einem anderen Tisch der kleinen Luise eine Schinkenstulle zerteilte. »Sie, Herr Mister, komm’n Se mal her! Zeigen Se mal Ihr Portemonnaie!«
    Ich zwinkerte Stefenson zu, den Wunsch zu erfüllen. Stefenson warf schweigend seine dicke Brieftasche auf den Tisch. »Bitte!« sagte er phlegmatisch.
    Der Bauer rührte sich nicht.
    »Na, nu kucken Sie mal nach, was drin ist!« ermunterte ich ihn.
    »Ich werd’ mich schön hüten; nachher sagen Se, es fehlt was!«
    Mißtrauisch wie ein alter Fuchs vor der Falle, so saß der Bauer vor der Brieftasche. Da schlug ich die Tasche auf und entnahm ihr blaue und braune Schätze. Der Bauer schaute wie in ein Wunderland von Reichtum. Aber er rückte beiseite.
    »Wenn Se su reiche Herrn sind, warum setzen Se sich da zu mir armen Schlucker? Zum Ausstoppen bin ich mir viel zu schade.«
    Ich gab die Brieftasche an Stefenson zurück und redete dem neuen Freunde gut zu. Ich erklärte ihm genau, was wir mit ihm vorhätten, wie er als Pächter auf einen unserer Höfe ziehen solle, wie wir ihm die günstigsten Bedingungen einräumen und ihm seine eigene Wirtschaft zu gutem Preise abkaufen würden, falls er sie nicht anderweitig günstig loswürde. Wie ein König solle er auf seinem Gute hausen. Die Kurgäste sollten unter seiner Leitung arbeiten und sich an seiner guten Laune erfreuen. Ich kriegte heraus, daß der Bauer Emil Barthel hieß, noch nicht ganz fünfzig Jahre alt war, ein gesundes Eheweib namens Susanne sowie zwei kräftige Söhne und zwei Töchter besaß, daß von den vier Kindern aber drei auswärts in Dienst standen, da er sie auf seiner kleinen Wirtschaft nicht beschäftigen und ernähren konnte.
    »Na, sehen Sie, Barthel, es wäre doch schön, wenn Sie alle Ihre Kinder bei sich haben und ganz für sich arbeiten könnten. Da wäre doch auch was zurückzulegen.«
    Er saß nachdenklich da.
    »Stoppen Se mich wirklich nich aus?«
    »Ich denke nicht daran.«
    »Wie kommen Se denn gerade auf mich?«
    »Na, wir haben Sie eben getroffen, und Sie gefallen uns.«
    »Dabei bin ich doch dem Herrn Mister grob gekommen.«
    »Das schadet nichts. Den Kurgästen werden Sie auch manchmal grob kommen müssen. Das gehört zur Kur.«
    »Sie sind auch so eener, der dort Bauer wird?«
    »Nein, ich bin der Doktor, der alles ausgetiftelt hat.«
    »’n Doktor sind Se? So seh’n Se aber nich aus!«
    »Hm! Nun, so ein Doktor wie die andern bin ich auch nicht. Mehr so ’n halber Schäfer.«
    »Oh, das wär’ nich schlecht! Aber ich glaub’s nich; ich kann’s nich glauben!«
    Ich zog einen Umschlag mit Photographien aus der Tasche. »Jetzt werd’ ich Ihnen mal Bilder von unseren Höfen zeigen. Da - das ist ein Wohnhaus.«
    »Das? - Das is ja ’n Schloß!«
    »Ja, wir haben schöne Wohnhäuser. Sie sollen ja mit Ihrer Familie nicht allein in dem Haus wohnen; es sollen ja auch noch zwanzig Kurgäste drin Platz haben.«
    »Dunnerwetter!«
    »Und das ist die große Wohnstube, und so sieht der Kuhstall aus und so die Scheune.«
    Er atmete schwer.
    »Wie groß ist denn die Wirtschaft?«
    »Hundert Morgen.«
    Da verdüsterte sich seine Stirn.
    »Warum halten Sie mich denn zum Affen? So ’ne große Sache kann ich doch nicht pachten; da gehört doch Geld dazu.«
    »Gar kein Geld! Nur, daß Sie fleißig sind und alles gut in Ordnung halten. Wir werden ebenso auf unsere Rechnung kommen wie Sie; denn, sehen Sie, die Acker rentieren sich doch, und was die Wirtschaft nicht bringt, bringen die Kurgäste.«
    »Nu ja, die werd’n ja überall behumst.«
    Der Mann betrachtete mich wie einen Zauberer, der Märchendinge vor ihm ausbreitete. Zuletzt erklärte er sich bereit, mit uns nach

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