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Ferien vom Ich

Ferien vom Ich

Titel: Ferien vom Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Keller
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seinem Dorfe zu fahren und mit seiner Susanne Rücksprache zu nehmen.
    Unterwegs sprach ich noch viel auf Emil Barthel ein. Er antwortete fast nicht mehr. Vor seiner kleinen Wirtschaft hielten wir. Das Wohnhaus hatte nur ein Erdgeschoß mit hohem Dach; Stall und Scheuer waren klein, aber es war ein Blumengärtlein vor dem Hause und alles sauber und freundlich. Ein behäbiges Weib in blauer Schürze trat vor die Tür, als Barthel vom Wagen kletterte:
    »Nee, Emil«, sagte sie, »da haste nu sogar Fahrgelegenheit gehabt und kummst su spät! Dabei sull a de Medizin fürs kranke Mädel hol’n.«
    »Mutter«, meinte Emil, »wenn du mit sulchen Kerlen fährst, bleibste kleben. Sieh dir bluß den Schimmel an; der hat zwee eingeleimte Hulzbeene. Aber ’s sind amerikanische Millionäre, die haben vierzig Paar Pauergüter und lauter Schlösser.«
    Susanne lachte gutmütig.
    »A hat een’ sitzen«, meinte sie. »Na, kumm ock rein!«
    »Frau Barthel«, rief ich ihr zu, »Ihr Mann wird Ihnen viel zu erzählen haben. Glauben Sie nur, es ist kein Spaß, es ist Ernst. Wir fahren jetzt ins Gasthaus, und in etwa zwei Stunden werden wir mal zu Ihnen kommen. Wir müssen mit Ihnen ein ernstes Wort reden, und es wird Sie nicht reuen.«
    Die Frau schüttelte verwundert den Kopf; ihr Gatte Emil aber tippte erst ihr, dann sich an den Kopf, nahm sie am Arme und zog sie ins Haus.

    Im Dorfgasthaus wurde uns ein schlichtes, aber schmackhaftes Mittagmahl bereitet, und nach einiger Zeit brachen wir auf zu einem Besuch bei Emil Barthel.
    »Nee, komm’n Se wirklich?« fragte er; »ich hatte gedacht, ’s war’ alles bloß Ulk.«
    Die Stube war niedrig, aber sauber, und über den Tisch war ein großes buntes Tuch gebreitet. Emil Barthel bewirtete uns. Erbot uns in einer Papiertüte Zigarren an, von denen ich vermutete, daß sie aus dem Dorfkramladen zu fünf Pfennig das Stück gekauft seien. Mit Schadenfreude sah ich zu, wie Stefenson, der von früh bis in die Nacht eine Havanna nach der andern schmauchte, sich mit Todesverachtung an dieses Rauchzeug heranmachte.
    »Nun, mein lieber Barthel, möchte ich zunächst etwas feststellen: es handelt sich in unserer Angelegenheit weder um einen Spaß, zu dem wir uns wahrhaftig nicht so viel Zeit nehmen würden, noch um einen Betrug.«
    »Also ist es tatsächlich wahr?« sagte Barthel und trommelte auf den Tisch. Sein Gesicht wurde ernst, und er holte aus zu einer Rede:
    »Seh’n Sie, meine Herr’n, wenn Se nu wirklich so was Komisches Vorhaben - man kann ja nie wissen, was den Stadtleuten einfällt - nu, so muß ich Ihn’n ehrlich sagen: das Ding gefällt mir nich. Denn warum? Die Stadtleute werd’n nich kommen. Die sind viel zu faul. Wenn se ins Bad machen woll’n -woll’n se sich amüsieren. Da woll’n se doch nich Kühe melken und ackern. Meine Herr’n, Se haben keene Ahnung, was das für schwere Arbeit is. Vor solcher Arbeit haben sich die Stadtleute immer gedrückt. Aber gesetzt den Fall, se kämen doch - da wär’s noch viel schlechter. Denn warum? Die Stadtleute verstehen nischt. Denken Se, daß die mir auf dem Hofe was helfen könnten? Die gragelten mir doch bloß im Wege rum. Die quatschten und quasselten doch bloß.«
    »Die fielen einem ja in die Puttermilch!« lachte Frau Susanne. »Die täten ja alles bloß mit Glacéhandschuh’n machen woll’n«, ergänzte der Mann.
    »Donner!« schrie da Stefenson jähzornig und hieb die Faust auf den Tisch, daß aus seiner Fünfpfennigdampfrolle ein Feuerwerk stiebte, »nun ist’s aber genug. Wer nicht will, will nicht! Haben Sie das Risiko zu tragen? Müssen Sie sich unsere Köpfe zerbrechen, ob unsere Gründung eine Pleite ist oder nicht? Haben Sie nicht bloß zu gewinnen? Das allerbeste ist . . .«
    »Das allerbeste is, Se geh’n wieder!« sagte Barthel seelenruhig. Und nun wären wirklich all unsere Beziehungen zu dem Hause Barthel abgebrochen worden, wenn es nicht im selben Augenblick an die Tür geklopft hätte und zwei Damen über die Schwelle getreten wären. Eine kleine zartgliedrige Braune und eine große Blondine, beide mit feinen Gesichtern, so gut man das in dem Dämmerlichte der niederen Bauernstube feststellen konnte. Die Kleinere sagte, daß sie von der Erkrankung des Barthelschen Kindes gehört habe und mal nachfragen wolle; sie sehe aber, daß gerade Besuch da sei, und wolle nicht stören. Ach, erwiderte die Frau, von Störung sei keine Rede; denn das seien zwei ganz fremde Herren, mit denen sie weiter nichts Ernsthaftes

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