Ferien vom Ich
konnten wir uns nicht wenden, die hätten uns ausgelacht mit unserem Pachtangebote. Kleine Landwirte mußten es sein, die auf ihrer engen Scholle ein kümmerliches Leben führten und froh waren, in eine gute Pachtung zu kommen.
Stefenson hielt das Pferd an.
»Wollen Sie mitfahren?«
»Nee!« antwortete der Bauer.
»Warum denn nicht?«
Das Bäuerlein wies auf unseren lahmen Mietsgaul.
»Der Schimmel er zieht mich nich; ich wieg’ ’n Zentner!«
»Sie haben wohl schönere Pferde?«
»Nee, ich hab’ bloß drei Zugkühe. Aber su schnell wie der Schimmel traben se ooch.«
»Hören Sie mal, Gevatter«, sagte ich, »Sie foppen uns. Das Pferd hat viel Geld gekostet.«
Er meckerte.
»Na, da mußt ihr schöne tumme Kerle sein.«
Lachend ging er neben unserem Wagen her, und wir fragten ihn ein wenig über die Gegend aus. Bald kam ein Straßengasthaus, und ich lud den Bauern ein, mit uns einzukehren und ein Glas mit uns zu trinken.
»Nu«, sagte er, »das kann ich schon. Aber, ich sag’s Ihnen gleich ehrlich: zu holen is bei mir nischt. Würfeln tu ich nich, und billig zu verkoofen hab’ ich ooch nischt! Keene Kuh, kee Schwein, kee Getreide und ooch keene alten Schränke und zinnernen Teller.«
»Warum vermuten Sie denn, daß wir Ihnen was abschachern wollen?«
»Ja, da müßt’ man doch euch Stadtjuden nich kenn’. Um-sunst gebt ihr doch eenem fremden Bauer keen Schnaps zum besten.«
»Da haben Sie ganz recht«, sagte Stefenson. »Wir wollen etwas von Ihnen. Wir wollen alles von Ihnen: Ihre Wirtschaft, Ihre Kühe, Schweine und Hühner und sogar Sie selber und Ihre Frau und Ihre Kinder.«
Der Bauer brach in helles Gelächter aus.
»Hätt’ ich mir’s doch gleich gedacht, daß Sie der Menschenfresser sind.«
»Also den nehmen wir bestimmt!« sagte Stefenson zu mir, wie wenn eine Ware zum Verkauf stände.
»Mich nehmen Sie?« vergnügte sich der Bauer. »Sie sein ja der ulkigste Kerle von der Welt.«
Stefenson zog die Stirne kraus. Drinnen setzte er sich dem Bäuerlein an dem rohen Tisch der Schankstube gegenüber, nahm ein Notizbuch heraus und sagte:
»Wie heißen Sie?«
»Ich? - Mit’m Familiennam’ su wie mei Vater und mit’m Vornamen wie Napoleon.«
»Mensch, wie heißen Sie! Ich muß das wissen. Es handelt sich um eine Angelegenheit, die für Sie wichtiger ist als für uns. Sie werden schon alles erfahren. Also, wie heißen Sie?«
»Wie heißen Sie denn?« fragte der Bauer zurück. Stefenson wurde ungeduldig.
»Wenn Sie es denn wissen müssen, ich bin Mister Stefenson aus Amerika, ein sehr reicher Mann.«
»Da könn’ Se lachen! Deswegen haben Se wahrscheinlich ooch so’n scheenes Pferd.«
»Dummer Kerl!« sagte Stefenson verdrossen und stand auf. Der Bauer lachte.
»Nu hat a sich erst richtig vorgestellt, und nu steht a auf.«
Es war Zeit, daß ich mich ins Mittel legte. Der Mann mußte wissen, um was es sich handelte, sonst war mit ihm nicht zu reden. Freilich war es nicht leicht, so einer naiven Haut die Idee von den Ferien vom Ich klarzumachen. Ich versuchte das auf folgende Weise: »He, lieber Freund, haben Sie schon irgendmal einen Städter kennengelernt, der richtig arbeitet?«
»Nee. Die Städter sein olles faule Luder. Se könn’ Heringe oder Leinwand oder Pillen verkoofen oder in a Stuben sitzen und kritzeln, aber arbeiten könn’ se nicht. Se schlafen ja olle bis um sieben.«
»Da haben Sie recht. Und glauben Sie, daß so ein Leben, wie es die Städter führen, gesund ist?«
»Miserablig ungesund is es! Se sehn ju olle aus wie Quarkschnitten, und Kräfte ham se nich die Spur. Se verfaul’n ree-neweg.«
»Bravo! Was Arbeit ist und was Gesundheit ist, weiß nur der Bauer. Nun wissen Sie aber, es gibt Badeorte, Kuranstalten.«
»Jawohl. Da gehn die allerfaulsten Ludersch hin; die Kranken pflegen sich lieber zu Hause.«
»Schön. Sie sind ein heller Kopf. Sie begreifen mich vollständig. Wenn man nun aber einen Kurort machte, wo keine feinen Villen und Hotels sind, nein, wo lauter Bauernhöfe wären und wo die Städter, die eine Kur machen wollen, mal auf dem Hofe oder auf dem Felde feste zugreifen und arbeiten müßten, das würde doch den Schlingeln gesund sein - nicht wahr?«
»Gesund schon! Aber das faule Kroppzeug wird sich schön hüten und arbeiten. Wenn se aufs Dorf komm’n, saufen se einem bloß die gutte Milch weg und fressen die scheensten Birn’ von a Bäumen. Sonst tun se nischt.«
»Doch, doch, Herr Nachbar! Es wird schon Leute geben, die das Leben
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